Das E-Bike. Ein Erfahrungsbericht.

Das E-Bike. Ein Erfahrungsbericht.

Schiebt konsequent an: Geländegängiges E-Bike in freier Wildbahn.

Während heutzutage und hierzulande nicht mal hunderttausend rein elektrisch angetriebene PKWs ihre meist einsamen Runden (im Durchschnitt 1,5 Insassen pro Auto) kreisen, sieht es bei den mit einem Elektromotor unterstützten Fahrrädern, den so genannten Pedelecs, gänzlich anders aus. Fast eine Million E-Bikes wurden 2018 in Deutschland verkauft. Also kein Nischenmarkt, sondern Volumengeschäft, von dem Autoindustrie und Politik derzeit nur schönplappern und träumen können. Bekannte deutsche Zulieferer haben sich bei den Zweirädern längst etabliert, im preiswerten Einsteigersegment trotz rigoroser Zollpolitik der EU erwartungsgemäß einige chinesische Anbieter. Auch in Zukunft möchte man Fahrräder in Europa produzieren, das ist gesellschaftlich und politisch nachvollziehbar.

Schwer & kraftvoll

Vor zwei Monaten bin auch ich umgestiegen. Auf ein E-Mountainbike-Einstiegsmodell asiatischer Herkunft mit fettem Akku und dickem Heckmotor. Knapp 28 Kilo bringt das Gesamtpaket auf die Waage. Damit steht von vornherein fest: Ohne elektrische Motorunterstützung macht dieses Bike mit Sicherheit keinen Spaß. Es gibt sechs Unterstützungsstufen. Einstellung Null bedeutet: Motor aus. In Stufe eins bis sechs hilft der Elektromotor. Fast 600 Watt Spitzenlastunterstützung stellt der Heckmotor dabei zur Verfügung.

Jede Stufe steht für eine andere Endgeschwindigkeit, in Stufe eins sind das etwa 12 km/h, in Stufe sechs 25 km/h. Bis zu diesen Endgeschwindigkeiten wird durch den Elektromotor konsequent beschleunigt, egal wie stark oder schwach man mit der eigenen Beinmuskelkraft dazu treten tut. Die Musik spielt ab Stufe vier. Nach einer halben bis ganzen Pedalumdrehung beim Start ist die elektrische Unterstützung da und treibt den Drahtesel inklusive Insassen zügig voran.

Zu Beginn muss man sich damit arrangieren. Denn die simple Motorregelung kennt kein Erbarmen. Ab Stufe vier wird auch auf dem holprigsten Schotterweg konsequent bis zur Endgeschwindigkeit angeschoben. Das ist nicht immer ungefährlich. Gleiches gilt im Stadtverkehr. Vernünftig ist es daher zu Beginn, sich auf einfachem Terrain zunächst mit den Unterstützungsstufen vertraut zumachen.

Das Fahren bereitet ab der ersten Minute Vergnügen. Und bringt ein breites Grinsen zum Vorschein, insbesondere bei der Fahrt bergauf. Auch hier sind 25 km/h in der höchsten Stufe meistens kein Problem. Plastisch gesprochen, verwandelt ein E-Bike die Radtour im Mittelgebirge zu einem entspannten Trip im Norddeutschen Flachland.

Auto-Alternative

Speziell bei längeren Pendelstrecken zur Arbeit qualifiziert sich ein E-Bike locker als probater PKW-Ersatz. In meinem Fall sind das immerhin knapp 50 Kilometer in hügeligem Terrain. One way. Und dabei kann der elektrische Mitfahrer seine Vorzüge voll ausspielen. In der höchsten Unterstützungsstufe beträgt die Durchschnittgeschwindigkeit immer mindestens 25km/h. Also in weniger als zwei Stunden mit zwei Rädern zum Arbeitsplatz. Unabhängig von der persönlichen Tagesform, Gegenwind oder Berganstiegen.

Zeitkritische Termine werden damit planbar. Auch ohne Dauerschwitzen. Im Gegensatz zu früher mit dem herkömmlichen Fahrrad, wo im Zweifel doch das Auto zum Einsatz kam. Denn mit dem Verbrenner kommt man vielleicht mit 60 km/h Durchschnittgeschwindigkeit zum gleichen Ziel. Und die Distanz ist dabei deutlich ausgedehnter, das E-Mountainbike kann nahezu kerzengerade durchstarten. Ergo: Zwei Stunden E-Fahrrad vs. eine Stunde Auto. Oder eine Differenz von in Summe zwei Stunden pro Tag. Machbar, wenn auch nicht immer.

Und erst recht kein Abbruchkriterium, wenn man einfach eine Stunde früher aufsteht und trotzdem vier Stunden in Bewegung bleibt. Denn in die Pedale muss man auch beim E-Bike immer treten. „Du bist doch faul. Was willst Du in Deinem Alter mit einem E-Bike?“ Schwerfälliger wird man jedenfalls nicht. Im Gegenteil. Das E-Fahrrad kommt öfter zum Einsatz bei gleichzeitig längeren Distanzen. Demzufolge: Mehr gesunde Bewegung pro Tag.

Als umweltfreundlich ist das gesamte Gefährt im Vergleich zum Drahtesel ohne Elektromotor gleichwohl nicht zu bezeichnen. Der Akku allein ist eine kleine, mobile Chemiefabrik mit über einer halben Kilowattstunde Strom an Kapazität, Verschwendung seltener Rohstoffe zu Spaßzwecken und ebenso begrenzter Lebensdauer. Dito die verbaute Elektronik. Die Scheinheiligkeit eines Möchtegern-Weltverbesserers erspare ich mir also an dieser Stelle.

Elektrische Kraftstoffkosten

Die augenscheinlich unverzichtbare Frage im Kontext des E-Bikes dreht sich beim deutschen Michel jedenfalls meistens um das liebe Geld. Gerne gehört: „Was kosten denn da einhundert Kilometer?“ Überraschenderweise kann diese Frage im Gegensatz zu den Erfahrungen im Rest des Artikels besonders präzise beantwortet werden:

  • Die Kapazität des Akkus beträgt im Auslieferungszustand des E-Bikes: 624Wh (0,624 kWh)
  • Die Reichweite mit der höchsten Unterstützungsstufe und vollgeladenen Akku bei widrigen Bedingungen um null Grad Celsius Außentemperatur: Etwa 50 Kilometer
  • Die Reichweite bei vollgeladenen Akku und Unterstützungsstufe vier bei 15 bis 25 Grad Celsius Außentemperatur im Frühjahr/Sommer: Etwa 100 Kilometer
  • Durchschnittlich angenommene Reichweite gemittelt über ein Jahr bei jeweils voll geladenem Akku: Etwa 75 Kilometer

Weiterhin ist der Wirkungsgrad des Ladegerätes zu betrachten. Dabei muss der herkömmliche Netzstrom von 230 Volt Wechselspannung auf 48 Volt Gleichspannung transformiert werden. Konservativ können hier 80 Prozent Wirkungsgrad dieses Netzteils angesetzt werden, zumal es sich um eine eher preiswerte Bauart aus Fernost handelt.

  • Elektrische Energie inkl. Wirkungsgradverlust des Ladegerätes, um den leeren Akku voll Aufzuladen: 780 Wh (0,78 kWh)

Das Ergebnis dieser überschlägigen Rechnung bedeutet rund 0,01 kWh pro Kilometer oder 1 kWh auf einhundert Kilometer. Bei einem Preis von etwa 30 Cent brutto pro kWh betragen die Stromkosten für 100 Kilometer zurückgelegte Strecke mit dem E-Bike also etwa 30 Cent. Oder 1000 Kilometer für 3 EUR. 10.000 Kilometer für 30 EUR. Und 100.000 Kilometer für 300 EUR.

Zum Vergleich: Ein Diesel-PKW mit einem Durchschnittsverbrauch von 4,5 Liter auf 100 Kilometer schlägt hier schon mit deutlich mehr als 5 EUR Kraftstoffkosten zu Buche. Und selbst das Elektroauto mit einem Durchschnittsverbrauch von 15 kWh auf 100 Kilometer bei einem Strompreis von 30 Cent liegt bei 4,50 EUR. Mit anderen Worten: Das E-Bike ist das weitaus günstigste Fortbewegungsmittel, was die Kraftstoffkosten betrifft.

Ein E-Bike, gerade aus dem Einsteigersegment, kann natürlich auch noch verbessert werden, um den Fahrspaß weiter zu optimieren. Etwa mit Licht, einer gefederten Sattelstütze (das macht gerade bei Fahrten über Schotter extrem viel aus), Schutzblechen oder effizienteren Scheibenbremsen.

Fazit: E-Bikes passen in den Zeitgeist. Sie sind effizient. Haben Power. Sparen Zeit. Machen Spaß. Wer einmal auf Elektrisch umgesattelt hat, wird selten freiwillig in die elektrofreie Vorzeit wechseln wollen. Fast tausend zurückgelegte Kilometer in nur zwei Monaten sprechen Bände.

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