In diesem Artikel soll es um die – rein fiktive – Fragestellung gehen, ob und wie es möglich ist, die Energiemenge, die jährlich aus der Nordsee in Form von Erdöl entnommen wird, auch durch Offshore-Windparks im selben Meer zu erzeugen.
In einem früheren Artikel ging es bereits darum, wie man mittels Windkraftanlagen und Photovoltaik die Jahresstromproduktion eines Kernkraftwerks ersetzen kann.
Fairerweise sei an dieser Stelle auch erwähnt, das neben Erdöl auch Erdgas in der Nordsee produziert wird. Dieses Erdgas soll in dieser Beispielrechnung jedoch keine Rolle spielen, obwohl es eine wachsende Bedeutung bei der Ausbeutung der Energieressourcen aus der Nordsee erfährt.
In der Nordsee wurden 2017 pro Tag etwa 2 Millionen Barrel Erdöl gefördert. Das entspricht einer Jahresproduktion von 730 Millionen Barrel. Andere Statistiken sprechen von etwa 2,3 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2016. Für diese Rechnung nehmen wir die 2 Millionen Barrel Förderung pro Tag im Jahr 2017 an. Ein Barrel entspricht 156 Litern.
Exkurs: Im gleichen Jahr lag die globale Erdölproduktion bei 92,65 Millionen Barrel pro Tag oder 33.817 Millionen Barrel pro Jahr. Die europäische Erdölförderung in der Nordsee macht damit gerade etwas mehr als zwei Prozent der jährlichen, globalen Förderung aus.
1 Liter Erdöl hat einen Energiegehalt (Heizwert) von ca. 11,9 kWh. Ein Barrel würde damit rund 1856 kWh entsprechen.
Damit entspricht das gesamte in der Nordsee 2017 geförderte Erdöl einem Heizwert von 1.354.880.000.000 kWh oder 1355 TWh. Zum Vergleich: Der gesamte Primärenergiebedarf Deutschlands lag 2017 bei rund 3800 TWh. Theoretisch könnte man also knapp 1/3 des gesamten Primärenergiebedarfs Deutschlands mit dem Nordseeöl decken, unter der hypothetischen Annahme, das der gesamte Primärenergiebedarf Deutschlands durch Erdöl gedeckt wird.
2017 wurden in der deutschen Nordsee knapp 16 Milliarden kWh Strom in Offshore-Windparks erzeugt. Nimmt man die – hier rein hypothetische – Umrechnung in Barrel Öl vor, so würde es sich hier um 8.620.689 Barrel oder rund 8,62 Millionen Barrel Öl handeln.
Wie bereits festgestellt, werden pro Tag derzeit in der Nordsee ca. 2 Millionen Barrel Öl gefördert. Oder 730 Millionen Barrel im Jahr 2017. Die Jahresstromproduktion in Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee entspricht also etwas mehr als vier Tagen der gesamten Ölproduktion in der Nordsee oder knapp 1,2 Prozent der Jahresproduktion.
Das klingt sehr ernüchternd.
Allerdings ist dieser Vergleich nur bedingt sinnvoll, da Strom ein höherwertiger Energieträger als Erdöl ist, da er sich sehr effizient in andere Energieformen (Wärme, mechanische Energie u.s.w.) umformen und vergleichsweise verlustarm transportieren lässt. Wir vergleichen hier genauer genommen den Heizwert des Erdöls (Primärenergieträger) mit erzeugten Kilowattstunden Strom (Sekundärer Energieträger) aus den Offshore-Windkraftanlagen. Das ist kein fairer Vergleich.
Wir müssen unsere Rechnung also noch etwas anpassen: Angenommen, wir würden das gesamte in der Nordsee 2017 geförderte Öl dazu verwenden, um daraus Strom zu produzieren. (In der Praxis tut man das meist nicht, da Erdöl ein sehr teurer Energieträger zur Stromproduktion ist. Zumindest in Europa, es gibt aber Ausnahmen, zum Beispiel im Nahen Osten). Moderne Ölkraftwerke haben einen Wirkungsgrad von maximal 45 Prozent.
Würden wir also den gesamten Heizwert des in der Nordsee geförderten Erdöls von 1355 TWh aus 2017 nutzen, um dieses Öl in einem thermischen Kraftwerk zu verbrennen und damit Strom zu produzieren: Dann läge der Output bei gegebenen Wirkungsgrad von 45 Prozent bei nur noch rund 610 TWh.
Das entspricht in etwa der Jahresstromproduktion von ganz Deutschland.
Nehmen wir nun weiter hypothetisch an, wir möchten in Zukunft genau so viel Strom aus der Offshore-Windkraft in der Nordsee erzeugen, wie 2017 an – hypothetisch verstromten – Erdöl in der gesamten Nordsee gefördert wurde.
2017 wurden von den deutschen Offshore-Windkraftanlagen in der Nordsee rund 16 TWh Strom bei einer Leistung von etwa 5400 MW produziert.
Würden wir die gesamte Erdölförderung der Nordsee verstromen (um einen halbwegs fairen Vergleich zu haben), müssten alle Offshore-Windkraftanlagen mindestens 610 TWh Strom pro Jahr produzieren.
Ein Offshore-Windpark wie alpha ventus mit 12 Windkraftanlagen mit jeweils 5 MW Leistung erzeugt pro Jahr ca. 0,25 TWh Strom.
Um 610 TWh Strom in der Nordsee zu erzeugen, bräuchten wir daraus schlussfolgernd eine installierte Leistung von etwa 146 GW an Offshore-Windkraftanlagen in der Nordsee.
Also eine um den Faktor 27 gesteigerte Leistung im Vergleich zu den nur in der deutschen Nordsee installierten Anlagen Ende 2017.
146 GW würden 18.250 Windkraftanlagen mit jeweils 8 MW Nennleistung entsprechen, wobei 8 MW eher die untere Grenze für zukünftige Offshore-Anlagen der kommenden Jahrzehnte darstellen wird.
Das ist eine ganze Menge.
Laut Bundeswirtschaftsministerium soll die Leistung der Offshore-Windkraft in Deutschland bis 2030 auf dann 25 GW gesteigert werden. Das entspricht immerhin 17 Prozent der hier angenommen fiktiven Zielgröße von 146 GW, und auch in anderen Nordsee-Anrainern wie Großbritannien, Belgien, Holland und Dänemark ist ein weiterer Zubau an Offshore-Windkraft geplant.
Fazit: Die hypothetische Rechnung zeigt, welche gigantischen Energiemengen unsere europäischen Nachbarn (beim Erdöl vor allem Großbritannien und Norwegen) jährlich der Nordsee entnehmen, wobei die Erdgasförderung in unserer Rechnung noch nicht einmal berücksichtigt ist. Im Vergleich zur Welterdölförderung ist der Anteil des Nordseeerdöls dennoch fast verschwindend gering.
Dennoch kann in Zukunft zumindest ein Teil der zurückgehenden Ölproduktion durch die Stromproduktion in Offshore-Windkraftanlagen ersetzt werden. Technisch ist es theoretisch sogar möglich, die gesamte Energiemenge des 2017 in der Nordsee geförderten Erdöls durch Offshore-Windparks im gleichen Meer zu ersetzen. Dazu würden 146 GW installierte Leistung notwendig sein. Zum Vergleich: Die gesamte in der EU installierten Leistung an Windkraft betrug 2017 immerhin 178 GW (on- und offshore).
1 Comment
Add YoursIch finde gerade mit Blick auf die Zukunft unseres Planeten ist Offshore-Windkraft sehr bedeutsam. Erstaunlich, dass die Leistung der Offshore-Windkraft in Deutschland bis 2030 auf dann 25 GW gesteigert werden soll. Auch wenn es nur ein Teil sein mag, ist es gut, dass Ölproduktion durch die Stromproduktion in Offshore-Windkraftanlagen Stück für Stück ersetzt werden.