Additive Bias: Warum wir hinzufügen statt wegzunehmen

Additive Bias: Warum wir hinzufügen statt wegzunehmen

Einleitung: Die verborgene Kraft des Weniger – Eine Welt, die am Additive Bias leidet

Das moderne Leben ist von einer scheinbar unaufhaltsamen Akkumulation geprägt. Unsere Kalender sind überfrachtet mit Terminen, die Produktivität leidet unter überladenen Prozessen 1, digitale Produkte werden mit jeder Version komplexer 2 und gesellschaftliche Institutionen ersticken an ihrer eigenen Bürokratie.3 Intuitiv spüren viele den Wunsch nach “Weniger”, nach Vereinfachung und Klarheit. Doch bei der konkreten Problemlösung greift ein tief verwurzelter kognitiver Mechanismus, der uns in die entgegengesetzte Richtung lenkt.

Inhalt

Dieser Mechanismus ist als Additive Bias (auch Additionsverzerrung oder Subtraction Neglect) bekannt. Er beschreibt die systematische kognitive Tendenz des Menschen, Probleme durch das Hinzufügen neuer Elemente zu lösen, selbst wenn Subtraktion – das Entfernen bestehender Elemente – der weitaus effizientere, einfachere oder elegantere Ansatz wäre.5

Die Krux des Additive Bias liegt nicht darin, dass wir Subtraktion bewusst als minderwertige Lösung ablehnen. Das Problem ist fundamentaler: Wir übersehen sie systematisch.3 Sie taucht in unserem mentalen Suchraum für Lösungen oft gar nicht erst auf. Addition ist die kognitive Standardeinstellung; Subtraktion erfordert bewusste Anstrengung. Diese Asymmetrie in unserem Lösungsansatz hat tiefgreifende Konsequenzen.

Dieses Phänomen, lange Zeit anekdotisch beobachtet, wurde durch die bahnbrechende Forschung von Gabrielle Adams, Leidy Klotz und Kollegen wissenschaftlich formalisiert 3 und durch Klotz’ Buch “Subtract: The Untapped Science of Less” popularisiert.7 Der Additive Bias ist kein Zeichen mangelnder Intelligenz, sondern ein fundamentales Merkmal unserer kognitiven Architektur – eine Heuristik oder mentale Abkürzung, die in der komplexen modernen Welt oft in die Irre führt.

Dieses Dossier analysiert den Additive Bias in seiner gesamten Tiefe. Es legt die wissenschaftliche Evidenz dar, erforscht die psychologischen Ursachen, zeigt die gravierenden Auswirkungen in Technologie, Gesellschaft und Politik auf und liefert – am wichtigsten – ein Framework und praktische Methoden, um diese Verzerrung zu erkennen und die strategische Kraft der Subtraktion zu nutzen.

1. Was ist der Additive Bias? Definition, Konzept und die “Lego-Brücke”

Präzise Definition des Konzepts

Der Additive Bias ist eine kognitive Verzerrung, die den menschlichen Problemlösungsprozess fundamental beeinflusst. Konfrontiert mit einer Situation oder einem System, das verbessert werden soll, durchsucht das menschliche Gehirn standardmäßig nach additiven Transformationen – also Möglichkeiten, etwas hinzuzufügen, zu erweitern oder zu ergänzen.5 Im Gegensatz dazu werden subtraktive Transformationen – das Entfernen, Reduzieren oder Weglassen von Komponenten – systematisch vernachlässigt oder übersehen.3

Diese Voreingenommenheit tritt selbst dann auf, wenn die subtraktive Lösung objektiv überlegen ist, sei es durch geringere Kosten, höhere Effizienz oder größere Eleganz. Das Hinzufügen ist der kognitive “Default”-Pfad.3

Die wissenschaftliche “Entdeckung”: Die Lego-Brücke

Die Formalisierung dieser Idee wurde maßgeblich durch eine alltägliche Beobachtung des Ingenieurs und Verhaltensforschers Leidy Klotz angestoßen, die er in seinem Buch “Subtract” beschreibt.10 Die Szene ist ein einfaches Spiel mit seinem Sohn:

  1. Das Setting: Klotz und sein dreijähriger Sohn bauen eine Brücke aus Lego-Steinen.10
  2. Das Problem: Die Brücke ist instabil und wackelig, weil eine der beiden Stützsäulen länger ist als die andere.
  3. Die additive Lösung: Als erfahrener Ingenieur erkennt Klotz das Problem sofort. Seine reflexartige Handlung: Er greift nach einem weiteren Lego-Stein, um die kürzere Säule zu verlängern und sie an die längere anzugleichen.
  4. Die subtraktive Lösung: Bevor Klotz den Stein anbringen kann, greift sein Sohn ein. Das Kind, noch unberührt von jahrelang antrainierten Denkmustern, entfernt einen Stein von der längeren Säule und macht die Brücke so ebenfalls stabil.10
  5. Die Epiphanie: Klotz erkennt in diesem Moment, dass die subtraktive Lösung – die einfacher und ressourcenschonender war – in seinem eigenen mentalen Lösungsraum nicht einmal aufgetaucht war. Er hatte sie nicht abgewogen und verworfen; er hatte sie schlichtweg übersehen.11

Diese Anekdote wurde zum Ausgangspunkt für eine formale, empirische Untersuchung des Phänomens.10

Die entscheidende Unterscheidung: “Weniger” (Zustand) vs. “Subtraktion” (Handlung)

Um den Additive Bias praktisch zu bekämpfen, ist eine von Klotz formulierte konzeptuelle Unterscheidung von entscheidender Bedeutung: der Unterschied zwischen dem Zustand “Weniger” und der Handlung “Subtraktion”.12

Viele Menschen und Organisationen streben nach “Weniger”: weniger Komplexität, weniger Stress, weniger Bürokratie, ein minimalistischeres Leben. Der Additive Bias sabotiert dieses Ziel jedoch, indem er uns dazu verleitet, den Zustand “Weniger” durch additive Handlungen zu erreichen.

Ein klassisches Beispiel, das auch in der Forschungsliteratur Anklang findet, ist der Umgang mit Unordnung: Statt ungenutzte Gegenstände zu entfernen (Subtraktion), kaufen Menschen zusätzliche Aufbewahrungsboxen oder Regalsysteme (Addition), um die Unordnung zu organisieren.13 Das Ziel ist “weniger” Unordnung, aber die gewählte Methode ist “mehr” Stauraum. Der Additive Bias tarnt sich hier als Lösung. Echte Subtraktion hingegen ist die oft schwierigere, aber wirkungsvollere Handlung des Wegnehmens, die zum gewünschten Zustand des “Weniger” führt.12

2. Die bahnbrechenden Studien: Adams et al. und die empirische Evidenz (2021)

Die Anekdote der Lego-Brücke war der Impuls, doch die wissenschaftliche Fundierung lieferte ein Team um Gabrielle S. Adams, Benjamin A. Converse, Andrew H. Hales und Leidy Klotz. Ihre 2021 in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie “People systematically overlook subtractive changes” (Menschen übersehen systematisch subtraktive Veränderungen) gilt als das empirische Schlüsselwerk.3

Das Forschungsdesign (Acht Experimente)

Das Forschungsteam entwarf eine Reihe von acht Experimenten, um die Hypothese des “Subtraction Neglect” (Vernachlässigung der Subtraktion) über verschiedene Kontexte und Aufgabenbereiche hinweg zu testen. Sie wollten zeigen, dass es sich um eine allgemeine kognitive Tendenz handelt.1

Detaillierte Vorstellung der Kernexperimente

Drei Experimente stechen in ihrer Klarheit besonders hervor:

  1. Das Lego-Experiment (Stabilisierung): Aufbauend auf der Anekdote von Klotz wurde ein standardisiertes Experiment entwickelt.16
  • Aufgabe: Die Teilnehmer sahen eine Lego-Struktur. Eine Figur stand unter einer Plattform, die von einer einzigen, breiten Säule gestützt wurde. Auf dieser Säule hielt ein einzelner, dezentral platzierter Stein ein flaches “Dach”. Diese Konstruktion war instabil. Die Aufgabe lautete, das Dach zu stabilisieren, damit es die Figur nicht “zerquetscht”.
  • Lösungen: Es gab eine einfache subtraktive Lösung: das Entfernen des einzelnen, deplatzierten Steins unter dem Dach, wodurch das Dach flach und stabil auf der Säule aufliegen würde. Es gab diverse additive Lösungen: das Hinzufügen neuer Stützpfeiler.16
  • Bedingungen: In der Kontrollgruppe wurde die Aufgabe ohne weitere Hinweise gestellt. In einer Testgruppe wurde das Hinzufügen von Steinen mit Kosten (im Experiment) verbunden, während das Entfernen kostenlos war.
  • Ergebnis: Selbst als das Hinzufügen Geld kostete, wählte die überwältigende Mehrheit der Teilnehmer die additive Lösung. Nur eine Minderheit kam auf die Idee, den störenden Stein zu entfernen.16
  1. Die Gitter-Aufgabe (Grids Task): Um den Bias bei einer abstrakteren, visuellen Aufgabe zu testen, wurde die Gitter-Aufgabe entwickelt.13
  • Aufgabe: Die Teilnehmer sahen ein Gitter aus 10×10 Kästchen. Einige Kästchen waren farbig (z.B. grün), die meisten weiß. Die Anordnung der farbigen Kästchen war asymmetrisch. Die Aufgabe bestand darin, das Muster symmetrisch zu machen (entlang der horizontalen oder vertikalen Achse).
  • Lösungen: Die Teilnehmer konnten entweder farbige Kästchen hinzufügen (durch Klicken auf weiße Kästchen) oder farbige Kästchen entfernen (durch Klicken auf farbige Kästchen).
  • Bedingungen: Die Muster waren so konzipiert, dass das Entfernen von Kästchen die effizienteste Lösung war (z.B. 4 Kästchen entfernen vs. 12 Kästchen hinzufügen).
  • Ergebnis: Auch hier bevorzugte eine signifikante Mehrheit der Teilnehmer die additive Lösung, obwohl sie mit deutlich mehr Klicks und Aufwand verbunden war.13
  1. Die Mini-Golf-Aufgabe: In einer weiteren Studie sollten Teilnehmer einen Mini-Golf-Platz (eine Zeichnung) “verbessern”.19 Die meisten Vorschläge waren additiv (z.B. neue Hindernisse hinzufügen), während subtraktive Vorschläge (z.B. ein störendes Hindernis entfernen) seltener waren.

Wichtige Nuancen und die Replikations-Debatte

Die Studie von Adams et al. offenbarte auch, wann der Bias am stärksten ist. Wenn die Teilnehmer unter kognitive Last (Cognitive Load) gesetzt wurden – also gleichzeitig eine andere, ablenkende Aufgabe erledigen mussten –, verstärkte sich ihre Präferenz für Addition signifikant.3 Dies ist ein starker Beleg dafür, dass Addition der kognitive “Default”-Pfad ist, der weniger mentale Energie erfordert. Subtraktion hingegen scheint ein kognitiv anspruchsvollerer Prozess zu sein.

Für eine expertengestützte Einordnung ist jedoch auch die nachfolgende Replikationsdebatte entscheidend. Wie bei vielen prominenten psychologischen Studien versuchten andere Forscherteams, die Ergebnisse zu reproduzieren.19 Die Ergebnisse waren gemischt:

  • Erfolgreiche Replikation: Der Additive Bias konnte in den aufgabenorientierten, physischeren oder kreativeren Kontexten (Lego-Aufgabe, Mini-Golf-Aufgabe) robust repliziert werden.19
  • Fehlgeschlagene Replikation: Überraschenderweise konnten einige Studien den Bias bei der abstrakten Gitter-Aufgabe (Grids Task) nicht replizieren. In manchen Durchläufen produzierten die Teilnehmer dort sogar mehr subtraktive Lösungen.19

Darüber hinaus deuten neuere Forschungen darauf hin, dass die Stärke des Bias kontextabhängig ist und von Faktoren wie der Aufgabe, der Kultur und dem Alter beeinflusst wird.20 Eine Studie fand beispielsweise, dass Kinder im Alter von 9-10 Jahren einen stärkeren Additive Bias zeigten als Erwachsene, was darauf hindeutet, dass die Fähigkeit zur subtraktiven Problemlösung möglicherweise erlernt oder entwickelt wird.21

Diese Replikationsdebatte schwächt die Kernthese des Additive Bias nicht, sie verfeinert sie. Sie zeigt, dass es sich nicht um ein unumstößliches Naturgesetz handelt, sondern um eine starke kognitive Tendenz, deren Ausprägung von der Art der Aufgabe abhängt. Die Tatsache, dass der Bias in kreativen, physischen und gestalterischen Aufgaben (wie dem Ingenieurwesen oder der Softwareentwicklung) stärker zu sein scheint als in rein abstrakten Logik-Puzzles, macht seine Relevanz für die Praxis umso größer.

3. Die Psychologie des “Mehr”: Warum unser Gehirn Addition bevorzugt

Warum ist Addition derart dominant? Die Forschung deutet auf ein Konglomerat aus kognitiver Effizienz, evolutionärer Prägung und sozialen Anreizsystemen hin.

Der Weg des geringsten kognitiven Widerstands

Die einfachste Erklärung ist die der kognitiven Effizienz. Wie die Studien unter kognitiver Last zeigen 3, ist das Denken in additiven Bahnen der “Weg des geringsten Widerstands” für unser Gehirn.

  • Verfügbarkeit: Additive Lösungen sind mental leichter verfügbar. Um etwas hinzuzufügen, muss man nur das bestehende Problem und eine mögliche Ergänzung betrachten.
  • Komplexität der Subtraktion: Um etwas wegzunehmen, muss man das gesamte System verstehen und die potenziellen Kaskadeneffekte des Entfernens einer Komponente mental simulieren. Dies erfordert ein tieferes Verständnis und mehr kognitiven Aufwand.12 Addition wird als einfacher, flüssiger und konkreter zu verarbeiten wahrgenommen als Subtraktion.22

Evolutionäre Fehlanpassung (Evolutionary Mismatch)

Leidy Klotz argumentiert, dass diese kognitive Voreinstellung tiefe evolutionäre Wurzeln haben könnte.23 In der Umwelt, in der sich der menschliche Verstand über Hunderttausende von Jahren entwickelt hat, war Addition ein primärer Überlebensmechanismus:

  • Ressourcen sammeln (nicht wegwerfen).
  • Werkzeuge herstellen (nicht demontieren).
  • Unterschlupf bauen (nicht einreißen).

Die Fähigkeit zu akkumulieren war direkt mit dem Überlebenserfolg gekoppelt. Subtraktion als bewusste Strategie zur Verbesserung (abgesehen vom Zerteilen von Nahrung) war seltener ein adaptiver Vorteil. In der modernen Welt der Überfülle und Komplexität wird diese ehemals adaptive Heuristik jedoch zur Fehlanpassung (Mismatch).23

Das Reputations- und Sichtbarkeits-Problem

Dies ist vielleicht der stärkste aufrechterhaltende Faktor in Organisationen und der Gesellschaft. Additive Handlungen sind in der Regel sichtbar, während subtraktive Handlungen oft unsichtbar sind.24

  • Ein Programmierer, der ein neues, auffälliges Feature hinzufügt, wird als produktiv und innovativ wahrgenommen.22
  • Ein Programmierer, der eine Woche damit verbringt, 5.000 Zeilen veralteten “Legacy-Code” zu entfernen, um das System schneller und wartbarer zu machen, hat am Ende “nichts” vorzuweisen – seine Arbeit ist unsichtbar, obwohl sie für das System von enormem Wert sein kann.

Diese soziale Dynamik schafft ein starkes Anreizsystem für Addition. Forschung zeigt, dass Menschen implizit davon ausgehen, dass additive Vorschläge von anderen positiver bewertet werden.22 Eine Studie, die einen “Additive Bias Implicit Association Test (ad-IAT)” verwendete, demonstrierte, dass Menschen additive Konzepte unbewusst mit einer positiveren Valenz verbinden und additive Handlungen als “sicherer” und “funktionaler” wahrnehmen als subtraktive.25

Diese Faktoren erzeugen eine sich selbst verstärkende Feedback-Schleife: Ein kognitiver Default (Addition ist einfacher) wird durch ein soziales System (Addition wird belohnt) verstärkt. Diese Koppelung macht den Additive Bias zu einer extrem hartnäckigen Kraft in menschlichen Systemen.

4. Experten-Klarstellung: Der “andere” Additive Bias (Statistik & KI)

Um ein vollständiges Dossier zu erstellen und Verwirrung in der interdisziplinären Forschung zu vermeiden, ist eine wichtige begriffliche Klärung (Disambiguierung) notwendig. Der Begriff “Additive Bias” wird in einem völlig anderen Kontext in der Statistik, der Physik und im Ingenieurwesen verwendet, insbesondere im Bereich des Maschinellen Lernens (KI).

Definition (Technischer Additive Bias)

In technischen und statistischen Modellen bezeichnet “Additive Bias” einen systematischen, konstanten Mess- oder Modellfehler.26 Es ist eine mathematische Komponente, die den Unterschied zwischen dem vorhergesagten Wert und dem wahren Wert beschreibt.

In einem einfachen linearen Modell, oft als Hyperebene in einem neuronalen Netz dargestellt 31, lautet die Formel oft $f(x) = w \cdot x + b$. In dieser Gleichung ist $b$ der “additive Bias” (oder Achsenabschnitt).31 Er repräsentiert eine Verschiebung der gesamten Funktion nach oben oder unten, unabhängig von der Eingabe $x$. Dieser technische Begriff hat keine direkte konzeptuelle Verbindung zum kognitiven Additive Bias.

Der ironische Crossover: Wenn KI unseren kognitiven Bias erbt

Die Trennlinie zwischen diesen beiden Bedeutungen beginnt jedoch auf faszinierende Weise zu verschwimmen. Jüngste Forschungen (Stand 2024) untersuchen, ob Große Sprachmodelle (LLMs) – die mit riesigen Mengen an von Menschen generierten Texten und Daten trainiert werden – den kognitiven Additive Bias des Menschen erben.33

Die Ergebnisse sind ein klares Ja. Forscher ließen LLMs (wie GPT-3.5, Claude 3.5 und Llama 3.1) dieselben Aufgaben lösen, die Adams et al. für Menschen entwickelt hatten.33 Die Resultate spiegeln das menschliche Verhalten wider:

  • Bei einer Lego-Turm-Stabilisierungsaufgabe wählte GPT-3.5 Turbo in 76.38 % der Fälle eine additive Lösung, statt einen Stein zu entfernen.33
  • Bei einer Aufgabe zur Erstellung von Palindromen (Wörter, die vorwärts und rückwärts gleich sind) bevorzugte Llama 3.1 das Hinzufügen von Buchstaben in 97.85 % der Fälle gegenüber dem Entfernen.33
  • Beim Überarbeiten von Textzusammenfassungen produzierten die KIs tendenziell längere, statt kürzere und prägnantere Versionen.33

Dies ist ein digitaler “Spiegel” unseres eigenen Denkfehlers. Unser kollektiver kognitiver Additive Bias ist in den Trainingsdaten der KIs kodifiziert. Da diese KIs zunehmend als Werkzeuge zur Problemlösung, zum Schreiben und Programmieren eingesetzt werden, besteht die reale Gefahr, dass sie unsere eigene Voreingenommenheit zur Addition nicht nur replizieren, sondern systemisch automatisieren und in einem noch nie dagewesenen Ausmaß skalieren.

5. Praxisbeispiel Technologie: Das große Drama des “Feature Creep”

Nirgendwo sind die Konsequenzen des Additive Bias so teuer und allgegenwärtig wie in der Technologie- und Softwareentwicklung. Hier manifestiert sich der Bias in einem Phänomen, das als “Feature Creep” (Funktionsüberfrachtung) bekannt ist.

Die Kausalkette: Bias -> Creep -> Fatigue

Der psychologische Mechanismus des Additive Bias ist der direkte Motor für ein destruktives Verhaltensmuster im Designprozess 2:

  1. Additive Bias (Die Ursache): Ein Problem wird identifiziert (z.B. “Nutzer X kann Y nicht tun”). Das Entwicklungsteam sucht standardmäßig nach additiven Lösungen (“Lasst uns Feature Z hinzufügen”).
  2. Feature Creep (Das Verhalten): Definiert als die “exzessive und kontinuierliche Expansion oder Hinzufügung neuer Funktionen in einem Produkt oder einer Dienstleistung”.2 Weil Subtraktion (z.B. “Können wir Feature A, das kaum genutzt wird, entfernen, um Platz für Y zu schaffen?”) übersehen wird, wird das Produkt mit jeder Iteration voller.
  3. Feature Fatigue (Das Ergebnis): Die Aufnahme dieser unnötigen oder übermäßig komplexen Funktionen führt zur “Feature Fatigue” (Funktionsermüdung) beim Nutzer.2 Das Produkt wird überladen, die Benutzerfreundlichkeit (Usability) sinkt, und die Nutzer sind frustriert und kognitiv überfordert.2

Das “Softwaremonster” der Legacy-Systeme

Der Berater und Autor Richard Seidl bezeichnet diesen Zyklus als das “große Drama der Softwareentwicklung”.34 In vielen Unternehmen wachsen über Jahrzehnte “Softwaremonster” heran – massive, unübersichtliche Legacy-Systeme. Der Grund ist, dass ständig neue Funktionen angebaut werden, aber aus Angst vor Systembrüchen oder weil die Arbeit unsichtbar ist, niemals alte, überflüssige Funktionen entfernt werden.34

Seidl stellt fest, dass dieser Bias auf allen Ebenen der Softwareentwicklung wirkt 34:

  1. Fachlichkeit (Produkt-Ebene): Der Standard-Impuls ist, ein neues Feature zu fordern, anstatt ein bestehendes zu optimieren oder zu entfernen.
  2. Code (Entwickler-Ebene): Statt komplexen Code zu refaktorisieren (was oft das Entfernen von Code bedeutet), wird aus Zeit- oder Komfortgründen lieber eine weitere if-Bedingung “drumherum gebaut”. Der Code wird additiv erweitert.
  3. Testing (QA-Ebene): Alte Testfälle, die vielleicht nicht mehr relevant sind, werden selten gelöscht. Stattdessen werden additiv neue Testfälle hinzugefügt, was die Test-Suite aufbläht und verlangsamt.

Der Return on Investment (ROI) wird durch diesen Bias systematisch falsch berechnet. Die sichtbaren Kosten einer neuen Funktion (Entwicklungszeit) werden gegen den sichtbaren Nutzen (ein neues Verkaufsargument) abgewogen. Die unsichtbaren, aber massiven Kosten – steigende technische Schulden (Technical Debt), erhöhte Wartungslast, sinkende Entwicklergeschwindigkeit und reduzierte Benutzerfreundlichkeit – werden ignoriert, da sie schwer zu quantifizieren sind und oft erst in der Zukunft anfallen.

6. Praxisbeispiel Gesellschaft: Bürokratie, Klimawandel und der überfüllte Terminkalender

Der Additive Bias beschränkt sich nicht auf die Technologie. Er durchdringt alle Aspekte unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens, von der persönlichen Produktivität bis hin zur globalen Politik.

Individuelle Ebene: Produktivität und “Overwhelm”

Im Bereich der persönlichen Produktivität ist der Additive Bias ein Hauptgrund für Stress und das Gefühl der Überforderung (“Overwhelm”).1

  • Das Problem: Ein überfüllter Terminkalender, eine endlose To-Do-Liste.
  • Die additive “Lösung”: Wir suchen nach einer neuen Produktivitäts-App, einem besseren Zeitmanagement-System, einem neuen “Life Hack” oder fügen eine weitere Verpflichtung hinzu, um “effizienter” zu werden.
  • Die übersehene subtraktive Lösung: Das rigorose Streichen von unwichtigen Meetings, das Ablehnen von Anfragen oder das Verlassen von unproduktiven Verpflichtungen.9

Organisationale Ebene: Die Entstehung von Bürokratie

In Organisationen und Institutionen ist der Additive Bias der Motor für Bürokratismus (“institutional red tape”).3

  • Das Problem: Ein Prozess funktioniert nicht reibungslos.
  • Die additive “Lösung”: Es wird ein neues Komitee gegründet, ein zusätzlicher Genehmigungsschritt eingeführt, eine neue Reporting-Zeile hinzugefügt oder ein neues Software-Tool angeschafft.
  • Die übersehene subtraktive Lösung: Den ineffizienten Prozess abschaffen, eine veraltete Regel entfernen oder eine überflüssige Abteilung auflösen. Da diese subtraktiven Handlungen oft als riskant oder politisch heikel gelten und (wie in Abschnitt 3 dargelegt) weniger Anerkennung bringen, werden bestehende Strukturen fast nie entfernt, sondern nur additiv überbaut.4

Politische Ebene: Gesetzgebung und Klimawandel

Auf der Makroebene beeinflusst der Additive Bias die Art und Weise, wie wir unsere größten gesellschaftlichen Probleme angehen.

  • Klimawandel: Dies ist ein Paradebeispiel für additives Denken. Die Debatte konzentriert sich stark auf additive Lösungen: neue Technologien (z.B. CO2-Abscheidung), neue “grüne” Produkte oder sogar massive Geoengineering-Projekte wie das künstliche Verdunkeln der Sonne.35 Diese Lösungen fügen dem bestehenden System eine weitere komplexe Schicht hinzu. Subtraktive Lösungen – allen voran die simple Reduzierung des globalen Konsums und Ressourcenverbrauchs – werden systematisch übersehen oder als politisch unpopulär ignoriert.3
  • Politik & Protest: Leidy Klotz nennt die Anti-Apartheid-Bewegung als ein mächtiges Beispiel für die Anwendung von Subtraktion.37 Während additive Proteste (Demonstrationen) wichtig waren, war der entscheidende Hebel eine subtraktive Handlung: das “Divestment”, also der massive Abzug von Kapital und finanzieller Unterstützung aus Südafrika, was das Regime ökonomisch unter Druck setzte.37

Bildungswesen: Der überfrachtete Lehrplan

Das Bildungswesen ist ein weiterer Mikrokosmos des Additive Bias. Schulleitungen und Lehrkräfte klagen weltweit über Überlastung. Der Grund ist ein ständiger additiver Prozess: “Neue Mandate werden zu alten Mandaten hinzugefügt, ohne dass Platz im Zeitplan für beide ist. Es wird nie etwas weggenommen”.38 Jede neue gesellschaftliche Anforderung (z.B. Digitalisierung, Medienerziehung, soziale Kompetenz) wird additiv auf den Lehrplan gepackt, ohne dass im Gegenzug veraltete Inhalte entfernt werden. Das Ergebnis sind überforderte Schüler und Lehrkräfte im Burnout.38

7. Abgrenzung: Additive Bias im Kontext verwandter kognitiver Verzerrungen

Um den Additive Bias präzise zu verstehen, muss er von anderen, eng verwandten kognitiven Verzerrungen, die sich ebenfalls mit Handeln und Nichthandeln befassen, abgegrenzt werden. Diese Einordnung ist entscheidend für die wissenschaftliche Schärfe.

Additive Bias vs. Status Quo Bias

  • Status Quo Bias: Dies ist die Tendenz, den aktuellen Zustand (den Status Quo) beizubehalten und jede Veränderung als potenziellen Verlust zu bewerten.5 Der Status Quo dient als Referenzpunkt, und Abweichungen davon werden vermieden.41 Dies führt oft zu Inaktion.
  • Additive Bias: Dies ist die Präferenz für eine bestimmte Art von Aktion – nämlich die additive.5
  • Die Verbindung: Die beiden sind eng verwandt und überschneiden sich. Einige Forscher argumentieren, der Additive Bias sei eine spezifische Manifestation des Status Quo Bias.13 Die Logik dahinter: Eine Addition wird als weniger starke Abweichung vom Status Quo empfunden als eine Subtraktion. Addition “ergänzt” das Bestehende, während Subtraktion (das Entfernen einer Komponente) als fundamentaler Eingriff und somit als “Verlust” (Loss Aversion) wahrgenommen wird.13 Das Festhalten am Status Quo (SQB) macht Subtraktion psychologisch teurer als Addition.

Additive Bias vs. Omission Bias (Unterlassungsverzerrung)

  • Omission Bias: Dies ist eine moralische Verzerrung. Sie beschreibt die Tendenz, schädliche Handlungen (Commissions) als moralisch schlimmer oder verwerflicher zu beurteilen als gleich schädliche Unterlassungen (Omissions).5 Beispiel: Einen Patienten nicht zu impfen (Unterlassung) wird oft milder beurteilt als ihm einen Impfstoff zu geben, der die gleiche Schadenswahrscheinlichkeit hat (Handlung).
  • Unterschied: Der Omission Bias operiert in der Domäne der moralischen Urteilsfindung. Der Additive Bias operiert in der Domäne der instrumentellen Problemlösung.

Additive Bias vs. Action Bias (Handlungsdrang)

  • Action Bias: Dies ist die Tendenz, handeln zu müssen, selbst wenn Inaktion (Nichthandeln) die statistisch bessere Strategie wäre.5 Das klassische Beispiel ist der Fußballtorwart beim Elfmeter: Obwohl das Stehenbleiben in der Mitte statistisch oft erfolgreich ist, hechtet der Torwart fast immer nach links oder rechts, um den Eindruck von Handlungsfähigkeit zu erwecken.
  • Die Hierarchie: Der Additive Bias kann als eine spezifische Ausprägung des Action Bias verstanden werden. Es ist eine kausale Kette:
  1. Ein Problem tritt auf.
  2. Der Action Bias sagt: “Tu irgendwas! Handeln ist besser als Nichthandeln.” 5
  3. Der Additive Bias schränkt die Art der Handlung ein und sagt: “Und dieses ‘Irgendwas’ sollte ein Hinzufügen sein.” 40

Tabelle 1: Kognitive Verzerrungen der (In-)Aktivität im Vergleich

Kognitive VerzerrungKerndefinitionPsychologischer MechanismusBeispiel
Additive BiasBevorzugung additiver Lösungen (Hinzufügen) bei der Problemlösung, selbst wenn Subtraktion besser wäre.Kognitive Leichtigkeit (Default-Pfad); soziale Sichtbarkeit und Belohnung.Einer Software ein neues Feature hinzufügen, statt überflüssigen Code zu entfernen.5
Status Quo BiasBevorzugung des aktuellen Zustands und Vermeidung von Veränderungen.Verlustaversion (Loss Aversion); kognitive Trägheit; Default-Einstellung.Beim alten, teureren Handyvertrag bleiben, um den Aufwand eines Wechsels zu vermeiden.13
Action BiasDrang zu handeln und Aktivität zu zeigen, selbst wenn Inaktion (Abwarten) die bessere Strategie wäre.Bedürfnis nach Kontrolle; soziale Erwartung des Handelns; Rechtfertigung.Der Torwart beim Elfmeter, der springt, statt stehen zu bleiben.5
Omission BiasSchädliches Nicht-Handeln (Unterlassung) wird als moralisch weniger schlimm bewertet als schädliches Handeln (Handlung).Moralisches Urteil; Unterscheidung zwischen aktiver Schädigung und passivem Zulassen.Einen Impfstoff nicht zu geben (Unterlassung) wird milder beurteilt als einen falschen zu geben (Handlung).40

8. “Subtract”: Praktische Methoden zur Überwindung der Additionsverzerrung

Der Additive Bias ist eine tief verwurzelte Tendenz, aber er ist kein unumstößliches Schicksal. Die Forschung zeigt klare Wege auf, wie Individuen und Organisationen lernen können, Subtraktion als gleichwertige Lösungsstrategie zu etablieren.

Methode 1: “Cueing” (Anstoßen) – Die einfachste Intervention

Die einfachste und empirisch am besten belegte Methode zur Milderung des Additive Bias ist das sogenannte “Cueing” – ein expliziter Hinweis oder “Nudge”.44

Die Studie von Adams et al. (2021) selbst lieferte den Beweis: Wenn die Teilnehmer vor der Aufgabe einen einfachen Hinweis erhielten, änderte sich ihr Verhalten drastisch.3

  • Gemischter Cue: Ein Hinweis wie: “Denken Sie daran, dass Sie Dinge hinzufügen oder wegnehmen können” erhöhte die Rate der subtraktiven Lösungen signifikant (Odds Ratio = 2.52).45
  • Subtraktions-Cue: Ein Cue, der nur die Subtraktion erwähnte (“Denken Sie daran, dass Sie Dinge wegnehmen können”), war sogar noch effektiver.3

Die Lektion für die Praxis ist einfach: In Brainstormings, Design-Meetings oder strategischen Planungen sollte die Möglichkeit der Subtraktion explizit als Teil der Aufgabenstellung formuliert werden.

Methode 2: Leidy Klotz’ Framework für die Praxis

Leidy Klotz leitet aus seiner Forschung ein vierstufiges Framework ab, um eine subtraktive Denkweise zu kultivieren 24:

  1. Invert (Umdrehen): Die kognitive Voreinstellung aktiv umkehren. Subtraktion zur ersten Option machen, die geprüft wird. Stellen Sie die Frage: “Was passiert, wenn wir dies nicht tun?” oder “Was können wir entfernen, bevor wir etwas hinzufügen?”.24
  2. Expand (Erweitern): Den Lösungsraum bewusst erweitern. Verstehen, dass Addition und Subtraktion gleichberechtigte Optionen sind. Das Ziel ist nicht, Addition zu dämonisieren, sondern die Asymmetrie zu beseitigen. “Adding should cue subtracting, not rule it out”.24
  3. Distill (Destillieren): Auf das Wesentliche reduzieren. Dies ähnelt der Philosophie von Marie Kondo (“Sparks Joy”) 11 oder dem Design-Prinzip “Perfection is achieved not when there is nothing left to add, but when there is nothing left to take away”.11 Was ist die absolute Kernfunktion? Alles andere ist ein potenzieller Kandidat für die Subtraktion.
  4. Persist (Beharren): Das Sichtbarkeitsproblem (siehe Abschnitt 3) aktiv bekämpfen. Da die Ergebnisse von Subtraktion oft unsichtbar sind (z.B. ein vermiedenes Problem, ein schnelleres System), müssen sie aktiv sichtbar gemacht und kommuniziert werden. Klotz nennt als Beispiel Costa Rica, das seine Neutralität (eine Subtraktion von Militär) zu einem sichtbaren nationalen Markenzeichen machte.24

Konkrete Werkzeuge und “Nudges”

Aus diesen Prinzipien leiten sich konkrete Werkzeuge für den Alltag und das Management ab:

  • Die “Stop-Doing-Liste”: Im persönlichen Zeitmanagement und in der Organisationsentwicklung ist dies das mächtigste subtraktive Werkzeug. Jede “To-Do-Liste” sollte von einer “Stop-Doing-Liste” begleitet werden, die aktiv Aufgaben, Meetings, Produkte oder Prozesse identifiziert, die ersatzlos gestrichen werden können.39
  • Content Audits & Pruning (SEO): Ein direktes Anwendungsbeispiel aus dem Marketing. Statt ständig neue Blog-Artikel zu produzieren (additiv), ist es eine gängige und effektive SEO-Strategie, “Content Pruning” (subtraktiv) zu betreiben: Alte, irrelevante oder leistungsschwache Artikel werden gelöscht oder konsolidiert. Dies hebt die durchschnittliche Qualität der Website und verbessert oft das Ranking.47
  • “Subtraction Prompts” im Design: Checklisten oder sogar Software-Tools können “Nudges” einbauen. Bevor ein Entwickler ein neues Feature in die Codebase eincheckt, könnte ein automatisiertes Fenster (“Subtraction Prompt”) erscheinen 48: “Welches bestehende Feature oder wie viele Zeilen alten Codes macht diese Addition überflüssig?”

Zukünftige Interventionen: Bewusstwerdung durch den ad-IAT

Die neuere Forschung konzentriert sich darauf, Metakognition (das Nachdenken über das eigene Denken) zu fördern. Ein vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung eines “Additive Bias Implicit Association Test (ad-IAT)”.18 Die Idee ist, diesen Test (der die unbewusste Neigung zur Addition misst) nicht nur zur Datenerhebung, sondern als pädagogisches Werkzeug zu nutzen. Indem Teilnehmern ihr eigenes, implizites Bias-Level vor Augen geführt wird, kann ein Bewusstsein geschaffen werden, das als erster Schritt zur Verhaltensänderung dient.18

9. Fazit: Den Mut zum Weglassen finden – Von der kognitiven Last zur strategischen Tugend

Der Additive Bias ist weit mehr als eine psychologische Kuriosität. Er ist eine tief verwurzelte kognitive Standardeinstellung 3, die als Weg des geringsten kognitiven Widerstands dient. Verstärkt durch soziale und ökonomische Anreizsysteme, die Sichtbarkeit über Effizienz stellen 22, führt diese Voreingenommenheit zu einem systemischen “Mehr”, das uns allen teuer zu stehen kommt.

Die Kosten dieses Bias sind real und messbar: Sie manifestieren sich in aufgeblähter Legacy-Software, die Innovation erstickt 34; in ineffizienter Bürokratie, die Ressourcen verschlingt 4; in überforderten Mitarbeitern und Schülern, die unter der Last der ständigen Additionen leiden 1; und in einer gefährlich verengten Sicht auf globale Probleme wie die Klimakrise, bei der subtraktive Lösungen systematisch übersehen werden.24

Die Überwindung des Additive Bias ist keine ideologische Aufforderung zum blinden Minimalismus. Sie ist eine rationale Aufforderung zur Vollständigkeit der Problemlösung. Es geht darum, unseren mentalen Werkzeugkasten zu verdoppeln. Die Frage darf nicht länger nur lauten: “Was können wir hinzufügen?”. Sie muss immer lauten: “Was können wir hinzufügen oder was können wir wegnehmen?”.

Der erste und wichtigste Schritt ist die Bewusstwerdung. Indem wir den Bias und seine Mechanismen verstehen, können wir beginnen, ihn durch “Cueing” 45, bewusste Prozesse 46 und die Schaffung neuer Anreize (z.B. die Sichtbarmachung von Subtraktion) zu kontern. In der komplexen, ressourcenbeschränkten und überfrachteten Welt des 21. Jahrhunderts liegt wahre Expertise und strategische Brillanz nicht mehr nur in der Fähigkeit, Neues zu schaffen. Sie liegt zunehmend im Mut, im Wissen und in der Fähigkeit, das Überflüssige, das Hinderliche und das Veraltete rigoros zu entfernen. Subtraktion ist nicht Verlust; sie ist die gezielte Schaffung von Raum für das Wesentliche.

Referenzen

  1. Additive Bias—and how it could be affecting your productivity – Anthony Sanni, Zugriff am November 13, 2025, https://anthonysanni.com/productivity-shorts-been-thinking/problem-solving-additive-bias
  2. Feature creep and usability in consumer electronic product design, Zugriff am November 13, 2025, https://www.researchgate.net/publication/247834040_Feature_creep_and_usability_in_consumer_electronic_product_design
  3. People systematically overlook subtractive changes | Request PDF – ResearchGate, Zugriff am November 13, 2025, https://www.researchgate.net/publication/350710601_People_systematically_overlook_subtractive_changes
  4. Aged Care Today Spring 2022 by Adbourne Publishing – Issuu, Zugriff am November 13, 2025, https://issuu.com/adbourne/docs/aged_care_today_magazine_spring_2022
  5. List of cognitive biases – Wikipedia, Zugriff am November 13, 2025, https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_cognitive_biases
  6. Additive bias – Wikipedia, Zugriff am November 13, 2025, https://en.wikipedia.org/wiki/Additive_bias
  7. DEEP DIVE: What Can We Add? What Can We Take Away? – Apple Podcasts, Zugriff am November 13, 2025, https://podcasts.apple.com/bh/podcast/deep-dive-what-can-we-add-what-can-we-take-away/id1170073178?i=1000730389423
  8. Subtraction in Action: Leidy Klotz – MIT Learn, Zugriff am November 13, 2025, https://next.learn.mit.edu/c/topic/pathology-and-pathophysiology?resource=15816
  9. Additive Bias…or Not: I | Chaco Canyon Consulting, Zugriff am November 13, 2025, https://chacocanyon.com/pointlookout/240626.shtml
  10. Lego reveals new cognitive bias — what it means for Agile simplicity | Bigger Impact – Boost, Zugriff am November 13, 2025, https://www.boost.co.nz/blog/2021/06/new-cognitive-bias-and-agile-simplicity
  11. Subtract: The Untapped Science of Less – 5 Key Insights – Next Big Idea Club, Zugriff am November 13, 2025, https://nextbigideaclub.com/magazine/subtract-untapped-science-less-bookbite/28351/
  12. Subtract, Zugriff am November 13, 2025, https://8982365.fs1.hubspotusercontent-na1.net/hubfs/8982365/Executive%20Book%20Summaries/Subtract/subtract-summary.pdf
  13. Unveiling the associative mechanisms underlying the additive bias – University of Cambridge, Zugriff am November 13, 2025, https://www.repository.cam.ac.uk/bitstreams/d866f589-990e-4261-a2de-3bb5e6571de7/download
  14. People systematically overlook subtractive changes | Semantic, Zugriff am November 13, 2025, https://www.semanticscholar.org/paper/948e7801041b83371ff51e1597a31dbb9f05c11b
  15. People systematically overlook subtractive changes – PubMed, Zugriff am November 13, 2025, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33828317/
  16. People add by default even when subtraction makes more sense – Science News, Zugriff am November 13, 2025, https://www.sciencenews.org/article/psychology-numbers-people-add-default-subtract-better
  17. Subtract: Why Getting to Less Can Mean Thinking More – Behavioral Scientist, Zugriff am November 13, 2025, https://behavioralscientist.org/subtract-why-getting-to-less-can-mean-thinking-more/
  18. Subtract to solve: a pilot study testing implicit and experiential interventions against additive bias – Frontiers, Zugriff am November 13, 2025, https://www.frontiersin.org/journals/cognition/articles/10.3389/fcogn.2025.1624526/full
  19. (PDF) Individual Differences in Subtractive Thinking and Creative Problem-Solving: Evidence for an Association with Convergent but not Divergent Thinking – ResearchGate, Zugriff am November 13, 2025, https://www.researchgate.net/publication/381305438_Individual_Differences_in_Subtractive_Thinking_and_Creative_Problem-Solving_Evidence_for_an_Association_with_Convergent_but_not_Divergent_Thinking
  20. (PDF) People overlook subtractive changes differently depending on age, culture, and task, Zugriff am November 13, 2025, https://www.researchgate.net/publication/377334399_People_overlook_subtractive_changes_differently_depending_on_age_culture_and_task
  21. (PDF) More Instructions Make Fewer Subtractions – ResearchGate, Zugriff am November 13, 2025, https://www.researchgate.net/publication/354892679_More_Instructions_Make_Fewer_Subtractions
  22. Adding is favoured over subtracting in problem solving – ResearchGate, Zugriff am November 13, 2025, https://www.researchgate.net/publication/350711603_Adding_is_favoured_over_subtracting_in_problem_solving
  23. Book Reveiw Subtract by Leidy KlotzFree Pdf | by Defiliyacell – Medium, Zugriff am November 13, 2025, https://medium.com/@defiliyacell/book-reveiw-subtract-by-leidy-klotzfree-pdf-b547b7cf8c7e
  24. Book review: Subtract: The Untapped Science of Less : r/slatestarcodex – Reddit, Zugriff am November 13, 2025, https://www.reddit.com/r/slatestarcodex/comments/nj03xh/book_review_subtract_the_untapped_science_of_less/
  25. Unveiling the Associative Mechanisms Underlying the Additive Bias: Using an Implicit Association Test to Gain Insight into People’s Preference for Additive Actions – Apollo, Zugriff am November 13, 2025, https://www.repository.cam.ac.uk/items/a07124e7-4112-41be-9883-0fd2017033a4
  26. Untersuchungen an diffusionsstabilen Aluminium-Silizium Barrieren für die Halbleiter in der Leistungselektronik – RosDok, Zugriff am November 13, 2025, https://rosdok.uni-rostock.de/file/rosdok_disshab_0000001253/rosdok_derivate_0000019030/Dissertation_Plappert_2014.pdf
  27. crossnma: An R package to synthesize cross-design evidence and cross-format data using network meta-analysis and network meta-regression – PMC – PubMed Central, Zugriff am November 13, 2025, https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11299362/
  28. Recursive estimators of mean-areal and local bias in precipitation products that account for conditional bias – the NOAA Institutional Repository, Zugriff am November 13, 2025, https://repository.library.noaa.gov/view/noaa/63538/noaa_63538_DS1.pdf
  29. Bias correction schemes for CMORPH satellite rainfall estimates in the Zambezi River Basin – HESS, Zugriff am November 13, 2025, https://hess.copernicus.org/preprints/hess-2016-33/hess-2016-33.pdf
  30. Detecting and removing multiplicative spatial bias in high-throughput screening technologies | Bioinformatics | Oxford Academic, Zugriff am November 13, 2025, https://academic.oup.com/bioinformatics/article-abstract/33/20/3258/3868477
  31. Handbuch der Künstlichen Intelligenz [6 ed.] 9783110659948, 9783110659849 – EBIN.PUB, Zugriff am November 13, 2025, https://ebin.pub/handbuch-der-knstlichen-intelligenz-6nbsped-9783110659948-9783110659849.html
  32. Application of deep learning in automatic detection of technical and tactical indicators of table tennis | PLOS One, Zugriff am November 13, 2025, https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0245259
  33. is More: Addition Bias in Large Language Models – arXiv, Zugriff am November 13, 2025, https://arxiv.org/html/2409.02569v1
  34. Additive Bias – das große Drama der Softwareentwicklung – SIGS.de, Zugriff am November 13, 2025, https://www.sigs.de/artikel/additive-bias-das-grosse-drama-der-softwareentwicklung/
  35. Klimawandel – Golem.de, Zugriff am November 13, 2025, https://www.golem.de/specials/klimawandel/
  36. Subtraction Extractions: Three Takeaways from a Rare Conversation with Leidy Klotz, Zugriff am November 13, 2025, https://rare.org/blog/subtraction-extractions-three-takeaways-from-a-rare-conversation-with-leidy-klotz/
  37. 4 Ways to Use Subtraction That Could Make Life Better | UVA Today, Zugriff am November 13, 2025, https://news.virginia.edu/content/4-ways-use-subtraction-could-make-life-better
  38. Transcript of Subtraction in Action: Leidy Klotz | TeachLab Presents The Homework Machine, Zugriff am November 13, 2025, https://teachlabpodcast.simplecast.com/episodes/leidy-klotz/transcript
  39. (What can we) Take Away – Four O’Clock Faculty, Zugriff am November 13, 2025, https://fouroclockfaculty.com/2023/04/take-away/
  40. The Universe of Bias & Stereotyping : Part 1 | by Grey Swan Guild | Medium, Zugriff am November 13, 2025, https://greyswanguild.medium.com/bias-stereotyping-part-1-5125c94ae5e1
  41. Status quo bias – Wikipedia, Zugriff am November 13, 2025, https://en.wikipedia.org/wiki/Status_quo_bias
  42. Beyond Beauty: The Invisible Influences of Cognitive Biases in Orchid Breeding, Zugriff am November 13, 2025, https://herebutnot.com/a-curious-glance-at-cognitive-biases-in-orchid-breeding/
  43. Understanding Cognitive Biases | PDF – Scribd, Zugriff am November 13, 2025, https://www.scribd.com/document/661860481/List-of-cognitive-biases
  44. Nudging: Eine Methode um Verhalten zu verändern.‍ – HelloDesign, Zugriff am November 13, 2025, https://www.hellodesign.de/blog/was-ist-nudging
  45. People systematically overlook subtractive changes (2021): Replication and extension, Zugriff am November 13, 2025, https://osf.io/preprints/psyarxiv/4jkvn
  46. Book review: Subtract: The Untapped Science of Less – LessWrong, Zugriff am November 13, 2025, https://www.lesswrong.com/posts/CkDsWJWFBgKCgZfsd/book-review-subtract-the-untapped-science-of-less
  47. BrightonSEO Recap: Content Strategy [from the Lumar Stage], Zugriff am November 13, 2025, https://www.lumar.io/blog/industry-news/brightonseo-recap-content-strategy/
  48. Cognitive Testing of Wave 3 Understanding Society Questions, Zugriff am November 13, 2025, https://www.understandingsociety.ac.uk/wp-content/uploads/working-papers/2011-03.pdf
  49. The Link between Buildings and Cognitive Performance – Harvard DASH, Zugriff am November 13, 2025, https://dash.harvard.edu/bitstreams/b7fe2a1c-023c-4b42-a399-505382228173/download
  50. Subtract to solve: a pilot study testing implicit and experiential interventions against additive bias – ResearchGate, Zugriff am November 13, 2025, https://www.researchgate.net/publication/396132319_Subtract_to_solve_a_pilot_study_testing_implicit_and_experiential_interventions_against_additive_bias
  51. Anomalies: The Endowment Effect, Loss Aversion, and Status Quo Bias – ResearchGate, Zugriff am November 13, 2025, https://www.researchgate.net/publication/330960811_Anomalies_The_Endowment_Effect_Loss_Aversion_and_Status_Quo_Bias
KI-gestützt. Menschlich veredelt.

Martin Käßler ist ein erfahrener Tech-Experte im Bereich AI, Technologie, Energie & Space mit über 15 Jahren Branchenerfahrung. Seine Artikel verbinden fundiertes Fachwissen mit modernster KI-gestützter Recherche- und Produktion. Jeder Beitrag wird von ihm persönlich kuratiert, faktengeprüft und redaktionell verfeinert, um höchste inhaltliche Qualität und maximalen Mehrwert zu garantieren.

Auch bei sorgfältigster Prüfung sehen vier Augen mehr als zwei. Wenn Ihnen ein Patzer aufgefallen ist, der uns entgangen ist, lassen Sie es uns bitte wissen: Unser Postfach ist martinkaessler, gefolgt von einem @ und dem Namen dieser Webseite (also meine-domain) mit der Endung .com. Oder besuchen Sie Ihn gerne einfach & direkt auf LinkedIn.

Ihre nächste Inspirationsquelle wartet – lesen, staunen, wachsen

Leben um Rote Zwerge: Wie realistisch ist dieses Szenario?
Leben um Rote Zwerge: Wie wahrscheinlich ist das?

Leben um Rote Zwerge: Wie realistisch ist dieses Szenario?

AI-generiert, Space
November 19, 2025
The Gen AI Playbook: Was wir über den operativen Erfolg von AI lernen können.
The Gen AI Playbook: Was wir über den operativen Einsatz von AI lernen können.

The Gen AI Playbook: Was wir über den operativen Erfolg von AI lernen können.

AI, AI-generiert
November 11, 2025
Polarlichter November 2025: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit in Deutschland?
Polarlichter November 2025: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit in Deutschland?

Polarlichter November 2025: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit in Deutschland?

AI-generiert, Space
November 11, 2025
Sichere Passwörter erzeugen: Das sind die Empfehlungen vom BSI & Co 2026
Sichere Passwörter erzeugen: Das sind die Empfehlungen vom BSI & Co 2026

Sichere Passwörter erzeugen: Das sind die Empfehlungen vom BSI & Co 2026

AI-generiert, How-to
November 11, 2025
KI Bias Studien: Das umfassende Dossier zur Voreingenommenheit in LLMs
KI Bias Studien - Das umfassende Dossier zur Voreingenommenheit in LLMs

KI Bias Studien: Das umfassende Dossier zur Voreingenommenheit in LLMs

AI, AI-generiert
November 11, 2025
Kosten Akkuwechsel Elektroauto: Was kommt 2026 auf E-Auto Besitzer zu?
Kosten Akkuwechsel Elektroauto

Kosten Akkuwechsel Elektroauto: Was kommt 2026 auf E-Auto Besitzer zu?

AI-generiert, All-Electric
November 10, 2025
Goldreserven weltweit: Eine strategische Analyse der globalen Zentralbankreserven 2026
Goldreserven weltweit: Eine strategische Analyse der globalen Zentralbankreserven

Goldreserven weltweit: Eine strategische Analyse der globalen Zentralbankreserven 2026

AI-generiert, Kapital
November 9, 2025
Bitte und Danke in Prompts: Was bringen die Wörter in KI-Chatsbots wirklich?
Bitte und Danke in Prompts: Was bringen die Wörter in KI-Chatsbots wirklich?

Bitte und Danke in Prompts: Was bringen die Wörter in KI-Chatsbots wirklich?

AI, AI-generiert
November 9, 2025