KI-Ära – Warum es das Wort des Jahres 2025 geworden ist?

KI-Ära - Warum es das Wort des Jahres 2025 geworden ist?

KI-Ära: Eine soziolinguistische und futurologische Analyse des Wort des Jahres 2025

1. Präambel: Sprache als Seismograph gesellschaftlicher Erschütterungen

Die Wahl des „Wortes des Jahres“ durch die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) ist weit mehr als ein ritueller Akt der linguistischen Rückschau. Seit ihrer institutionalisierten Einführung im Jahr 1977 fungiert diese Auszeichnung als präziser Seismograph für die mentalen, politischen und kulturellen Verschiebungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Wörter sind nicht bloße Bezeichnungsetiketten für die phänomenologische Welt; sie sind Kondensationspunkte des gesellschaftlichen Diskurses. In ihnen verdichten sich Ängste, Hoffnungen, Konfliktlinien und epochale Zäsuren.

Das Jahr 2025 markiert in dieser chronikalischen Abfolge einen historischen Wendepunkt von seltener Klarheit. Mit der Entscheidung der Jury, den Begriff KI-Ära“ auf den ersten Platz zu heben, wurde nicht nur ein technologischer Trend gewürdigt, sondern eine ontologische Verschiebung in der Art und Weise diagnostiziert, wie Gesellschaft, Wirtschaft und Individuum ihre Realität konstruieren.1 Anders als in den vorangegangenen Jahren, die oft von reaktiven Krisenbegriffen wie „Krisenmodus“ (2023) oder „Ampel-Aus“ (2024) geprägt waren, postuliert die Wahl von 2025 eine aktive, irreversible Transformation der menschlichen Zivilisation, die in ihrer Tragweite explizit mit der Industriellen Revolution verglichen wird.1

Dieses Dossier unternimmt den Versuch einer erschöpfenden Exegese dieser Wahl. Es analysiert die semantischen Tiefenschichten des Siegerbegriffs, dekonstruiert das Panorama der Top-10-Wörter als Spiegel einer nervösen Republik und wagt basierend auf aktuellen Daten einen fundierten Ausblick auf die regulatorischen und ökonomischen Realitäten des Jahres 2026. Ergänzt wird diese synchrone Analyse durch eine diachrone Längsschnittstudie der letzten 30 Jahre, um die aktuellen sprachlichen Phänomene in ihre historischen Korrelationen einzubetten.

2. Anatomie der Entscheidung: „KI-Ära“ als Epochensignatur

Die Verkündung am 5. Dezember 2025 in Wiesbaden war der Kulminationspunkt eines Jahres, in dem die Diskussion über Künstliche Intelligenz (KI) endgültig den Status des hypothetischen Fachdiskurses verließ und zur dominierenden sozialen Realität avancierte. Die Jury der GfdS begründete ihre Entscheidung mit einer Argumentationslinie, die sowohl soziologische als auch linguistische Dimensionen umfasst.

2.1 Die Semantik der Zäsur: Warum „Ära“?

Der Begriff „KI-Ära“ ist ein klassisches deutsches Determinativkompositum, das jedoch in seiner spezifischen Konstituierung eine enorme Wucht entfaltet. Das Bestimmungswort „KI“ (Künstliche Intelligenz) ist als Akronym längst lexikalisiert und bedarf keiner Auflösung mehr. Es steht pars pro toto für ein ganzes Cluster disruptiver Technologien – von generativen Sprachmodellen über autonome Agentensysteme bis hin zur algorithmischen Mustererkennung in der Medizin.

Das entscheidende semantische Gewicht liegt jedoch auf dem Grundwort „Ära“. In der Geschichte der „Wörter des Jahres“ finden sich häufig Begriffe, die Ereignisse („Flüchtlinge“, 2015), Zustände („Reformstau“, 1997) oder politische Konstellationen („GroKo“, 2013) beschreiben. Der Begriff „Ära“ hingegen kategorisiert eine Zeitperiode. Er impliziert Dauer, Unumkehrbarkeit und eine historische Zäsur. Er hebt den Gegenstand aus der Flüchtigkeit des Tagesgeschehens heraus und verleiht ihm den Status einer geschichtlichen Epoche.

Die Jury unterstrich diesen Aspekt, indem sie den Einzug der KI mit der Industriellen Revolution verglich.1 So wie die Dampfmaschine die physische Arbeitskraft des Menschen substituierte und potenzierte, so substituiert und potenziert die KI nun kognitive Prozesse. Andrea Ewels, die Geschäftsführerin der GfdS, charakterisierte den Begriff als „kurz, verständlich und emotional aufgeladen“.1 Diese emotionale Aufladung resultiert aus der Ambivalenz, die dem Begriff inhärent ist: Eine „Ära“ kann golden sein, sie kann aber auch dunkel sein. Der Begriff selbst wertet nicht, er konstatiert lediglich die fundamentale Dominanz des Phänomens.

2.2 Der Weg aus dem Elfenbeinturm

Ein zentrales Motiv für die Wahl war die Beobachtung, dass KI im Jahr 2025 die „Mitte der Gesellschaft“ erreicht hat.2 War die Technologie in den Jahren zuvor noch dominiert von Pilotprojekten, Beta-Tests und akademischen Papieren, so ist sie 2025 ubiquitär. Die GfdS führt explizit Beispiele an: von der Recherche im Internet über die Animation von Fotos bis hin zur Erstellung komplexer Texte.2

Diese Allgegenwart führt zu einer Normalisierung. Die Nutzung von KI-Werkzeugen ist 2025 so selbstverständlich geworden wie die Nutzung eines Smartphones. Der Begriff „KI-Ära“ reflektiert somit das Ende der Einführungsphase und den Beginn der Durchdringungsphase. Die Technologie ist nicht mehr das „Neue“, über das man staunt, sondern die „Infrastruktur“, auf der man lebt.

2.3 Die Schattenseite: Intellektuelle Stagnation und der Verlust der Autonomie

Besonders bemerkenswert an der Begründung der GfdS im Jahr 2025 ist die explizite Warnung vor den kognitiven Folgen dieser Ära. Jochen Bär, der Vorsitzende der Gesellschaft, artikulierte eine tiefgreifende Sorge: KI reproduziere den „Mainstream“, auch gedanklich.4 Da generative KI-Modelle auf Wahrscheinlichkeiten basieren, tendieren sie dazu, den Durchschnitt des Trainingsmaterials zu erzeugen. Sie glätten Kanten, tilgen Exzentrik und favorisieren den Konsens.

Bär warnt vor einer „intellektuellen Stagnation“.4 Wenn wir das Schreiben, das Formulieren und schließlich das Denken an Algorithmen delegieren, die lediglich statistische Plausibilität maximieren, droht ein Verlust an menschlicher Originalität und kritischer Urteilskraft. Der Begriff „KI-Ära“ ist daher auch als Mahnung zu verstehen. Er markiert den Zeitpunkt, an dem die Gesellschaft entscheiden muss, wie viel kognitive Autonomie sie bewahren will. Die Gefahr ist nicht, dass die KI uns unterwirft (im Sinne eines Science-Fiction-Szenarios), sondern dass wir uns freiwillig in eine bequeme Abhängigkeit begeben und dabei die Fähigkeit zum eigenständigen, widerständigen Denken verlieren.2

3. Der gesellschaftliche Kontext 2025: Analyse der Top-10-Begriffe

Ein Wort des Jahres steht nie isoliert. Es ist eingebettet in eine Liste von Begriffen, die zusammen ein narratologisches Mosaik des jeweiligen Jahres ergeben. Die Top 10 des Jahres 2025 zeichnen das Bild einer Nation, die sich in einem Mehrfrontenkrieg der Krisen befindet: geopolitisch bedroht, ökonomisch verunsichert und innenpolitisch polarisiert.

Tabelle 1: Die Top 10 Wörter des Jahres 2025 – Eine Synopse

RangWortThemenfeldSignifikanz und Kontext
1KI-ÄraTechnologie / GesellschaftEpochenwandel durch Ubiquität künstlicher Intelligenz. 1
2DealGeopolitik / USATrump-Rhetorik; Transaktionalismus statt Wertebündnis. 1
3Land gegen FriedenUkraine-KriegDiskursverschiebung hin zu Gebietsabtretungen. 1
4SondervermögenFinanzpolitik500 Mrd. € Paket für Infrastruktur/Klima; Euphemismus für Schulden. 1
5Wehrdienst-LottoVerteidigungDebatte um Rekrutierungsmodelle der Bundeswehr. 6
6DrohnisierungMilitärtechnologieEnthumanisierung der Kriegsführung; KI im Gefecht. 6
7StrafzölleWeltwirtschaftProtektionismus und Handelskriege (USA/China/EU). 6
8WohlstandsverlustSoziales / ÖkonomieReale Einkommensverluste und Abstiegsängste. 6
9klimamüdePsychologie / UmweltResignation gegenüber der Klimakrise. 6
10VertiktokungMedien / KulturFragmentierung der Aufmerksamkeit; Format-Diktat. 6

3.1 Die geopolitische Dimension: „Deal“ und „Land gegen Frieden“

Der zweite Platz, „Deal“, ist untrennbar mit der Person Donald Trumps und seiner erneuten Präsenz auf der Weltbühne verbunden. Die GfdS analysiert präzise, dass dieser Anglizismus für eine Verschiebung der politischen Grammatik steht. Trump nutzt das Wort für Handels-, Zoll- oder Außenabkommen und inszeniert diese als persönliche Triumphe.1 Für seine Anhänger signalisiert der Begriff Tatkraft und das Aufbrechen verkrusteter Strukturen. Für Kritiker hingegen steht er für Oberflächlichkeit, Show und die gefährliche Reduktion komplexer diplomatischer Beziehungen auf reine Geschäftstransaktionen. Die Platzierung auf Rang 2 zeigt, wie sehr die deutsche Öffentlichkeit 2025 auf die USA blickt – teils fasziniert, teils entsetzt. Der „Deal“ ersetzt den „Vertrag“; die Volatilität ersetzt die Verlässlichkeit.

Noch düsterer ist der Kontext des dritten Platzes: „Land gegen Frieden“. Dieser Begriff markiert das bittere Ende einer Illusion im Ukraine-Krieg. Er steht für die brutale realpolitische Forderung, dass die Ukraine Gebietsverluste an Russland akzeptieren müsse, um einen Friedensvertrag zu erreichen.1 Dass dieser Begriff 2025 so prominent wurde, zeigt eine Ermüdung der Solidarität und ein Einknicken vor der faktischen Gewalt. Er steht in scharfem Kontrast zur Rhetorik der Jahre 2022 und 2023, in denen die vollständige Wiederherstellung der territorialen Integrität als unverhandelbar galt.

3.2 Die ökonomische Dimension: „Sondervermögen“, „Strafzölle“, „Wohlstandsverlust“

Die ökonomische Befindlichkeit Deutschlands spiegelt sich in einem Cluster von Begriffen wider. „Sondervermögen“ (Platz 4) bezieht sich 2025 spezifisch auf ein massives, 500 Milliarden Euro schweres Investitionspaket der Bundesregierung für „Infrastruktur und Klimaschutz“.1 Der Begriff ist ein Euphemismus par excellence: Er verschleiert die Tatsache, dass es sich um neue Schulden handelt, um die verfassungsrechtliche Schuldenbremse formal nicht zu verletzen. Die Notwendigkeit eines solchen Pakets in dieser gigantischen Höhe (fünfmal so hoch wie das Bundeswehr-Sondervermögen von 2022) indiziert den dramatischen Investitionsstau, unter dem die Republik leidet.

Korrespondierend dazu stehen „Strafzölle“ (Platz 7) und „Wohlstandsverlust“ (Platz 8). In einer Welt, die durch „Deals“ und Protektionismus geprägt ist, leidet die exportabhängige deutsche Wirtschaft. „Strafzölle“ sind die Waffen in den Handelskriegen zwischen den USA, China und der EU. Die Folge für den Bürger ist der „Wohlstandsverlust“ – ein Begriff, der die tiefsitzende Angst der Mittelschicht vor dem sozialen Abstieg, vor Inflation und Kaufkraftschwund artikuliert.6 Die deutsche Erfolgsformel der Nachkriegszeit scheint 2025 brüchig geworden zu sein.

3.3 Die militärische und mediale Dimension

Der Begriff „Wehrdienst-Lotto“ (Platz 5) wirft ein Schlaglicht auf die Personalnot der Bundeswehr und die verzweifelte Suche nach neuen Rekrutierungsmodellen, die als willkürlich („Lotto“) wahrgenommen werden.6 „Drohnisierung“ (Platz 6) beschreibt die technologische Transformation des Krieges, bei der der Mensch zunehmend aus der direkten Kampfhandlung entfernt wird – eine direkte Parallele zur „KI-Ära“, da moderne Drohnen weitgehend autonom agieren.6

Schließlich zeigen „klimamüde“ (Platz 9) und „Vertiktokung“ (Platz 10) den mentalen Zustand der Bevölkerung. „Klimamüde“ beschreibt eine Erschöpfung angesichts der Dauerwarnungen vor der Klimakatastrophe, eine psychologische Abwehrreaktion. „Vertiktokung“ kritisiert die mediale Verflachung: Komplexe politische Zusammenhänge werden auf 15-sekündige Videoclips reduziert, was die Aufmerksamkeitsspanne erodiert und populistischen Vereinfachungen Vorschub leistet.6

4. Ausblick: Das Jahr 2026 im Schatten der KI-Regulierung und Transformation

Während 2025 das Jahr der begrifflichen Fixierung („KI-Ära“) war, wird 2026 das Jahr der harten Implementierung und der regulatorischen Konsequenzen sein. Die Analyse der vorliegenden Forschungsdaten erlaubt präzise Prognosen für die Sektoren Recht, Wirtschaft und Arbeit.

4.1 Der EU AI Act: Die Stunde der Wahrheit im August 2026

Das dominierende Thema des Jahres 2026 wird die vollständige Inkraftsetzung des EU AI Act sein. Während erste Bestimmungen bereits 2025 griffen, tritt das Gesetz im August 2026 in seine schärfste Phase ein.7

  • Vollständige Anwendung für Hochrisiko-Systeme: Ab August 2026 (bzw. für bestimmte Systeme, die bereits durch andere EU-Harmonisierungsrechtsvorschriften geregelt sind, im August 2027) müssen alle KI-Systeme, die als „hochriskant“ eingestuft sind, die vollen Compliance-Anforderungen erfüllen. Dazu gehören Systeme in der Kritischen Infrastruktur, in der Bildung, im Personalwesen und in der Strafverfolgung.
  • Compliance-Druck: Für deutsche Unternehmen, insbesondere den Mittelstand, bedeutet dies einen enormen bürokratischen und technischen Aufwand. Sie müssen Risikomanagementsysteme etablieren, Datenqualität garantieren und menschliche Aufsicht sicherstellen. Experten sehen hier eine „historische Chance“ für „KI Made in Europe“, warnen aber auch vor Überforderung.8
  • Nationale Defizite: Es zeichnet sich ab, dass Deutschland bei der Umsetzung hinterherhinkt. Berichte deuten darauf hin, dass die Benennung der zuständigen nationalen Behörden und die Einrichtung von Prüfstellen verzögert sind.9 Sollte Deutschland bis 2026 keine funktionierende Aufsichtsstruktur etabliert haben, droht Rechtsunsicherheit, die Investitionen hemmen könnte. Die Bundesnetzagentur wird voraussichtlich eine zentrale Rolle spielen, doch die legislativen Prozesse waren durch die Neuwahlen (siehe „Ampel-Aus“ 2024) verlangsamt.10

4.2 Die Transformation der Industrien: Automobil und Gesundheit

Das Jahr 2026 wird in der deutschen Leitindustrie, dem Automobilbau, als Zäsur erwartet.

  • Software-Defined Vehicle (SDV): Die Integration generativer KI in Fahrzeuge wird 2026 einen Reifegrad erreichen, der über bloße Sprachassistenten hinausgeht. KI wird tief in die Fahrzeugsteuerung und das Energiemanagement integriert. Prognosen für 2026 gehen davon aus, dass das „Software-definierte Fahrzeug“ zur Marktrealität wird, wobei Hersteller wie Mercedes und VW massiv investieren.11
  • Realismus beim Autonomen Fahren: Entgegen früheren Hypes wird 2026 noch nicht das Jahr der vollautonomen Roboter-Taxis in Deutschland sein. „Vollständig autonome Fahrzeuge wird es auch 2026 noch nicht geben“, so Branchenexperten.12 Stattdessen liegt der Fokus auf hochautomatisierten Systemen (Level 3/4) auf Autobahnen. Der Druck zur Produktivitätssteigerung zwingt die Hersteller zudem, KI massiv in der Produktion (Smart Factory) einzusetzen, um Kosten zu senken.13

Im Gesundheitssektor wird 2026 der Durchbruch von KI in der klinischen Routine erwartet. Studien, die 2025 initiiert wurden, sollen bis 2026 in breite Anwendungen münden, insbesondere in der Diagnostik und der administrativen Entlastung des Personals.14

4.3 Arbeitsmarkt 2026: Kompetenzverschiebung und Gewerkschaftliche Forderungen

Der Arbeitsmarkt 2026 wird sich fundamental wandeln. Es wird „ohne KI nichts mehr gehen“.16

  • Skill-Shift: Die Nachfrage nach reinen KI-Entwicklern wird ergänzt durch eine massive Nachfrage nach „KI-Anwendern“ in allen Branchen.17 Die Fähigkeit, mit KI zu kollaborieren (Co-Botting), wird zur Kernkompetenz.
  • Gewerkschaftliche Position: Die Gewerkschaft Verdi und andere Arbeitnehmervertretungen blicken mit Sorge auf 2026. Im „Jahrbuch Gute Arbeit“ wird die Gefahr des „gläsernen Mitarbeiters“ durch algorithmisches Management thematisiert. Die Forderung nach Mitbestimmung bei der Einführung von KI-Systemen und der Schutz der Persönlichkeitsrechte stehen ganz oben auf der Agenda.18 Der Kampf um die Deutungshoheit am Arbeitsplatz – Assistenz vs. Überwachung – wird 2026 eskalieren.

5. Historische Tiefenbohrung: 30 Jahre „Wörter des Jahres“ (1995–2025)

Um die Signifikanz von „KI-Ära“ vollends zu erfassen, ist ein diachroner Vergleich unerlässlich. Die Liste der Wörter des Jahres der letzten drei Jahrzehnte liest sich wie eine Chronik der deutschen Mentalitätsgeschichte. Sie zeigt, wie sich die kollektive Aufmerksamkeit von ökonomischen Reformen über gesellschaftliche Proteste hin zu existenziellen Polykrisen verschoben hat.

Tabelle 2: Chronologische Übersicht und Analyse (1995–2025)

Die Daten basieren auf historischen Aufzeichnungen der GfdS und Wikipedia.20

JahrWort des JahresHistorischer Kontext & Analyse
2025KI-ÄraTechnologische Dominanz: Die Ubiquität von KI definiert die Epoche. 1
2024Ampel-AusPolitische Instabilität: Das Scheitern der Koalition (SPD/Grüne/FDP). 22
2023KrisenmodusPsychologie: Permanenter Ausnahmezustand (Krieg, Energie, Inflation). 20
2022ZeitenwendeGeopolitik: Scholz’ Rede zum Ukraine-Krieg; Ende der Sicherheit. 20
2021WellenbrecherPandemie: Metaphorik der Corona-Bekämpfung.
2020Corona-PandemieEreignis: Der Beginn der globalen Gesundheitskrise. 6
2019RespektrenteSozialpolitik: Einführung der Grundrente; Begriff der Würde.
2018HeißzeitKlima: Dürresommer; phonetische Analogie zu „Eiszeit“.
2017Jamaika-AusPolitik: Scheitern der Koalitionsverhandlungen (Union/FDP/Grüne).
2016postfaktischDiskurskultur: Brexit/Trump; Gefühle verdrängen Fakten. 20
2015FlüchtlingeMigration: Das dominante Thema des Jahres; Willkommenskultur vs. Krise. 20
2014LichtgrenzeGedenken: 25 Jahre Mauerfall; positive Konnotation. 20
2013GroKoPolitik: Abkürzung für Große Koalition; Etablierung im Sprachschatz. 20
2012RettungsroutineEurokrise: Die Normalisierung der permanenten Euro-Rettung.
2011StresstestWirtschaft/Technik: Bankenprüfung und Fukushima-Reaktion (AKWs).
2010WutbürgerGesellschaft: Stuttgart 21; neue Protestkultur des Bürgertums.
2009AbwrackprämieWirtschaftskrise: Staatliche Subvention nach Lehman-Pleite.
2008FinanzkriseEreignis: Der globale Bankenzusammenbruch.
2007KlimakatastropheUmwelt: Verschärfung der Warsrhetorik (IPCC).
2006FanmeileKultur: WM 2006 („Sommermärchen“); kollektive Freude.
2005BundeskanzlerinPolitik: Wahl Angela Merkels; geschlechtsspezifische Neuerung.
2004Hartz IVSozialreform: Chiffre für sozialen Abstieg und Arbeitsmarktreform.
2003Das alte EuropaAußenpolitik: Rumsfelds Kritik an D/F wegen Irak-Krieg-Ablehnung.
2002TeuroWährung: Gefühlte Inflation nach der Euro-Bargeldeinführung.
2001Der 11. SeptemberTerror: Zäsur der globalen Sicherheitspolitik.
2000SchwarzgeldaffäreSkandal: CDU-Spendenaffäre um Helmut Kohl.
1999MillenniumZeitwende: Die Jahrtausendwende. 21
1998Rot-GrünPolitik: Machtwechsel nach 16 Jahren Kohl. 21
1997ReformstauPolitik: Stillstand der späten Kohl-Jahre. 21
1996SparpaketWirtschaft: Austeritätspolitik. 21
1995MultimediaTechnologie: Der Beginn der digitalen Verheißung. 21

5.1 Analyse der Dekaden: Von „Multimedia“ zu „KI-Ära“

Betrachtet man diese 30 Jahre, offenbart sich ein faszinierender Zyklus, der exakt 30 Jahre umfasst:

  • 1995 („Multimedia“) vs. 2025 („KI-Ära“): Beide Begriffe markieren technologische Durchbrüche. Doch während „Multimedia“ 1995 noch eine naive Verheißung einer bunten CD-ROM-Zukunft war, ist „KI-Ära“ 2025 die Beschreibung einer systemischen Dominanz. Die Technologie ist vom Gadget („Multimedia“) zur Infrastruktur („Ära“) geworden.
  • Die ökonomische Phase (1996–2005): Begriffe wie „Sparpaket“, „Reformstau“, „Teuro“ und „Hartz IV“ dominierten. Deutschland rang mit seiner Wettbewerbsfähigkeit („Kranker Mann Europas“) und den Sozialsystemen.
  • Die Politisierung des Privaten (2010–2016): Mit dem „Wutbürger“ (2010) und „Flüchtlinge“ (2015) rückten gesellschaftliche Konflikte in den Fokus. Die Sprache wurde emotionaler, polarisierender („postfaktisch“).
  • Die Polykrise (2020–2024): Die Schlagzahl der Krisen erhöhte sich dramatisch. „Corona“, „Zeitenwende“, „Krisenmodus“, „Ampel-Aus“. Die Wörter spiegeln eine Gesellschaft im permanenten Verteidigungsmodus gegen äußere Schocks wider.

Die Wahl von „KI-Ära“ 2025 durchbricht diesen Zyklus der reinen Krisenbeschreibung. Es ist kein rein negatives Wort (wie „Klimakatastrophe“ oder „Finanzkrise“), sondern ein deskriptives Wort mit futuristischem Potenzial. Es signalisiert, dass trotz aller geopolitischen Wirren („Deal“, „Land gegen Frieden“) die technologische Evolution der eigentliche Treiber der Geschichte bleibt.

6. Konklusion: Die Dialektik der KI-Ära

Das Dossier zeigt, dass das Wort des Jahres 2025, „KI-Ära“, mehr ist als ein Etikett. Es ist die sprachliche Kodifizierung einer neuen Realität. Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat mit dieser Wahl und der dazugehörigen Top-10-Liste ein präzises Psychogramm der Bundesrepublik erstellt.

Wir sehen eine Gesellschaft, die technologisch in die Zukunft stürmt (Platz 1 „KI-Ära“, Platz 6 „Drohnisierung“), während sie politisch und ökonomisch mit den Dämonen der Vergangenheit ringt (Platz 2 „Deal“/Trump, Platz 3 „Land gegen Frieden“/Krieg, Platz 7 „Strafzölle“/Protektionismus). Die Ambivalenz ist das definierende Merkmal: Die KI bietet Lösungen für den Fachkräftemangel und medizinische Fortschritte 14, birgt aber gleichzeitig die Gefahr der intellektuellen Stagnation 4 und der Überwachung am Arbeitsplatz.18

Für das Jahr 2026 lässt sich aus diesem Befund ableiten, dass die „Theorie“ der KI-Ära nun in die harte „Praxis“ der Regulierung (EU AI Act) und der ökonomischen Verwertung übergeht. Die Entscheidung von 2025 war somit prophetisch: Sie benannte den Rahmen, in dem sich die gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse der kommenden Jahre abspielen werden. Deutschland steht nicht mehr vor der KI-Ära; es ist mittendrin. Die Sprache hat dies erkannt; nun muss die Politik (siehe „Sondervermögen“) und die Wirtschaft nachziehen.

Referenzen

  1. Das «Wort des Jahres» 2025 ist «KI-Ära», Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.radiorsg.de/artikel/das-wort-des-jahres-2025-ist-ki-aera-2515082.html
  2. “KI-Ära” zum Wort des Jahres 2025 gewählt, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.hasepost.de/wort-des-jahres-2025-ki-aera-praegt-deutschland-664744/
  3. Wiesbaden: Deutsches Wort des Jahres 2025 ist “KI-Ära”, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.kleinezeitung.at/service/newsticker/chronik/20379065/deutsches-wort-des-jahres-2025-ist-ki-aera
  4. Von «KI-Ära» bis «Vertiktokung»: «Wörter des Jahres» gekürt, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.radiobochum.de/artikel/das-wort-des-jahres-2025-ist-ki-aera-2515082
  5. Von «KI-Ära» bis «Vertiktokung»: «Wörter des Jahres» gekürt, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.fraenkischertag.de/ueberregional/vermischtes/ki-aera-ist-wort-des-jahres-2025-art-499957
  6. „Wort des Jahres“ 2025 steht fest: „KI-Ära“, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.ksta.de/panorama/wort-des-jahres-2025-steht-fest-ki-aera-1164357
  7. EU AI Act Update: Navigating the Future – Ogletree Deakins, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://ogletree.com/insights-resources/blog-posts/eu-ai-act-update-navigating-the-future/
  8. EU AI Act: Compliance als Wettbewerbsvorteil für deutsche Unternehmen – mares media se, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://maresmedia.se/der-eu-ai-act-historische-chance-fuer-deutsche-unternehmen/
  9. State of the Act: EU AI Act Implementation in Key Member States | DLA Piper – JDSupra, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.jdsupra.com/legalnews/state-of-the-act-eu-ai-act-3732095/
  10. AI Act: Germany consults on implementation law – Pinsent Masons, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.pinsentmasons.com/out-law/news/ai-act-implementation-law-germany
  11. Softwaredefinierte Fahrzeuge, vernetzte Autos und KI in Autos 2026-2036: Märkte, Trends und Prognosen – IDTechEx, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.idtechex.com/de/research-report/software-defined-vehicles-connected-cars-and-ai-in-cars/1108
  12. KI 2026: Mehr Innovation, mehr Vertrauen – FAZ, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.faz.net/asv/ki-innovation-summit-2025/ki-2026-mehr-innovation-mehr-vertrauen-accg-200320688.html
  13. Automobilstandort Deutschland 2035 – VDE, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.vde.com/resource/blob/2309820/8bf6142687a7ce4d211ed151cdd41f9a/vde-studie-automobilstandort-2035–2–data.pdf
  14. KI ist bereits Alltag in Klinik und Praxis – zm-online, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.zm-online.de/artikel/2025/zm-2025-14/ki-ist-bereits-alltag-in-klinik-und-praxis
  15. Implementierung von künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen: Historische Entwicklung, aktuelle Technologien und Herausforderungen – NIH, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC12287119/
  16. Arbeitsmarkt 2026: Geht ohne KI nichts mehr? – Stellenmarkt.de, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.stellenmarkt.de/karrieremagazin/arbeitsmarkt-2026-geht-ohne-ki-nichts-mehr
  17. KI-Jobs in Deutschland: Stagnation statt Boom – Bertelsmann Stiftung, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/2646__Studie_KI-Jobs-Deutschland.pdf
  18. Jahrbuch Gute Arbeit, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/veroeffentlichungen/jahrbuch-gute-arbeit
  19. ver.di Gute Arbeit 2025 – Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/++file++67580c5da15e0f468e3fdfc2/download/Reader_GuteArbeit_2025.pdf
  20. Wort des Jahres (Deutschland) – Wikipedia, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://de.wikipedia.org/wiki/Wort_des_Jahres_(Deutschland)
  21. Wort des Jahres: Eine Liste mit Gesellschaftsrelevanz – Superprof, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.superprof.de/blog/wort-des-jahres-uebersicht/
  22. Gesellschaft für deutsche Sprache – “Ampel-Aus” ist Wort des Jahres 2024, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://www.deutschlandfunk.de/ampel-aus-ist-wort-des-jahres-100.html
  23. Wort des Jahres | GfdS, Zugriff am Dezember 6, 2025, https://gfds.de/aktionen/wort-des-jahres/
KI-gestützt. Menschlich veredelt.

Martin Käßler ist ein erfahrener Tech-Experte im Bereich AI, Technologie, Energie & Space mit über 15 Jahren Branchenerfahrung. Seine Artikel verbinden fundiertes Fachwissen mit modernster KI-gestützter Recherche- und Produktion. Jeder Beitrag wird von ihm persönlich kuratiert, faktengeprüft und redaktionell verfeinert, um höchste inhaltliche Qualität und maximalen Mehrwert zu garantieren.

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