
Wann haben wir AGI erreicht? Eine umfassende Zusammenfassung der Vision von Google DeepMind
In einer bemerkenswerten Episode des Podcasts „Google DeepMind“ spricht die Mathematikerin Hannah Fry mit Shane Legg, dem Chef-AGI-Wissenschaftler und Mitbegründer von Google DeepMind. Legg gilt als einer der Väter des Begriffs “AGI” (Artificial General Intelligence) und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Frage, wann Maschinen menschliche Intelligenz erreichen werden.
Das Gespräch bietet tiefe Einblicke in den aktuellen Stand der Technik, Sicherheitsfragen und die gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungen, die uns bevorstehen. Im Folgenden sind die Kernaussagen in einer strukturierten und verständlichen Form aufbereitet.
1. Was ist AGI eigentlich? Definitionen und Meilensteine
Ein zentrales Problem in der Diskussion um künstliche Intelligenz ist die Begriffsverwirrung. Shane Legg schafft hier Klarheit, indem er verschiedene Entwicklungsstufen unterscheidet:
„Minimal AGI“ (Minimale Allgemeine Intelligenz)
Legg definiert dies als einen künstlichen Agenten, der mindestens die kognitiven Aufgaben bewältigen kann, die ein typischer Mensch erledigen kann [01:58].
- Der Maßstab: Es geht nicht darum, Einstein zu übertreffen, sondern darum, dass die KI nicht an einfachen Dingen scheitert, die für einen Durchschnittsmenschen selbstverständlich sind.
- Der Test: Wenn eine KI eine breite Batterie an menschlichen Aufgaben ohne „überraschende Fehler“ besteht, ist diese Stufe erreicht.
„Full AGI“ (Vollständige Allgemeine Intelligenz)
Dies ist die nächste Stufe. Hier beherrscht die KI das gesamte Spektrum menschlicher Kognition, einschließlich außergewöhnlicher Leistungen wie das Erfinden neuer physikalischer Theorien oder das Komponieren von Meisterwerken [08:07].
Superintelligenz (ASI)
Sobald die KI die menschlichen Fähigkeiten nicht nur erreicht, sondern in allen Belangen weit übertrifft, sprechen wir von einer Superintelligenz. Legg ist überzeugt, dass dies möglich ist, da biologische Gehirne durch physische Grenzen (Energieverbrauch, Signalgeschwindigkeit) limitiert sind, die für digitale Systeme nicht gelten [35:36].
2. Der aktuelle Stand: Wo stehen wir heute?
Viele Menschen fragen sich, ob heutige Systeme wie ChatGPT oder Gemini bereits AGI sind. Leggs Antwort ist differenziert: Nein, aber sie zeigen mehr als nur „Funken“ davon.
- Übermenschliche Nischen: In Bereichen wie Sprachen (Übersetzung in 150 Sprachen) oder Faktenwissen sind KIs dem Menschen bereits haushoch überlegen [02:57].
- Menschliche Schwächen: Allerdings scheitern sie noch an Aufgaben, die für uns trivial sind. Ein Beispiel ist das visuelle logische Denken oder das „kontinuierliche Lernen“ (die Fähigkeit, über lange Zeiträume neue Fähigkeiten zu erlernen, ohne alte zu vergessen), was für echte Jobs unerlässlich ist [03:18].
- Das „Unebene“ Profil: Die heutige KI ist wie ein Savant – genial in manchen Dingen, aber unfähig in anderen. AGI ist erst erreicht, wenn diese Lücken geschlossen sind.
3. Die große Prognose: Wann ist es soweit?
Shane Legg ist bekannt für eine Vorhersage, die er bereits vor über einem Jahrzehnt auf seinem Blog veröffentlichte und an der er bis heute festhält:
Es besteht eine 50:50-Chance, dass wir bis zum Jahr 2028 eine „Minimale AGI“ erreichen. [49:36]
Das ist ein extrem naher Zeithorizont. Er glaubt zudem, dass der Schritt von der minimalen AGI zur vollen AGI („Full AGI“) danach sehr schnell gehen könnte – möglicherweise innerhalb weniger Jahre [50:06]. Wir stehen also nicht am Anfang einer langen Reise, sondern laut Legg bereits in der Endphase der Entwicklung hin zu menschlicher Maschinenintelligenz.
4. Sicherheit und Ethik: Das „System 2“-Denken
Ein faszinierender Aspekt des Gesprächs dreht sich darum, wie man sicherstellt, dass eine so mächtige Intelligenz ethisch handelt. Legg zieht hier eine Parallele zur menschlichen Psychologie, bekannt aus Daniel Kahnemans Werk „Schnelles Denken, langsames Denken“:
- System 1 (Instinkt): Schnelle, intuitive Reaktionen. Heutige KIs funktionieren oft so – sie plappern das Wahrscheinlichste heraus.
- System 2 (Vernunft): Langsames, bewusstes Nachdenken. Legg schlägt vor, KIs mit einer Art „System 2“-Sicherheitsmechanismus auszustatten [20:44].
Wie funktioniert das? Bevor die KI antwortet oder handelt, soll sie einen „Gedankengang“ (Chain of Thought) durchlaufen. Sie analysiert die Situation, wägt ethische Implikationen ab und prüft Konsequenzen, bevor sie agiert. Der Vorteil: Wir können diesen Gedankengang „lesen“ und überprüfen, warum die KI eine Entscheidung getroffen hat. Das macht das System transparenter und verlässlicher als eine bloße „Black Box“.
5. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation
Dies ist vielleicht der wichtigste Teil für Laien. Wenn AGI eintrifft, wird sich die Wirtschaft grundlegend ändern. Legg warnt davor, KI nur als „cooles neues Werkzeug“ zu sehen. Es handelt sich um eine strukturelle Veränderung der Gesellschaft.
Wer ist betroffen?
Legg gibt eine nützliche Faustregel:
„Wenn Sie Ihren Job komplett remote über einen Laptop erledigen können (Tastatur, Bildschirm, Maus), dann ist Ihr Job höchstwahrscheinlich kognitive Arbeit, die eine fortgeschrittene KI bald erledigen kann.“ [46:29]
- Gefährdete Berufe: Software-Ingenieure, Anwälte, Finanzanalysten und andere „Wissensarbeiter“. Legg prognostiziert, dass KI in wenigen Jahren einen Großteil des Programmiercodes schreiben wird [42:46].
- Geschützte Berufe: Berufe, die physische Interaktion in der unstrukturierten realen Welt erfordern, wie Klempner, sind kurz- bis mittelfristig sicher. Robotik entwickelt sich langsamer als reine Software-Intelligenz [45:15].
Die Notwendigkeit neuer Strukturen
Wenn menschliche Intelligenz durch „Superintelligenz“ in den Schatten gestellt wird, entkoppelt sich der Wert menschlicher Arbeit von der Produktivität.
- Der „Kuchen“ (der wirtschaftliche Gesamtwert) wird durch KI zwar viel größer werden (bessere Medizin, effizientere Produktion), aber die Verteilung dieses Wohlstands ist unklar [37:53].
- Legg fordert dringend, dass Experten aus allen Bereichen (Recht, Bildung, Politik, Ethik) sich jetzt Gedanken machen, wie eine „Post-AGI-Gesellschaft“ aussehen soll. Es ist zu spät, wenn die Technologie bereits da ist.
6. Das exponentielle Wachstum verstehen
Zum Abschluss zieht Hannah Fry einen beunruhigenden, aber treffenden Vergleich zum März 2020 (Beginn der Corona-Pandemie). Damals warnten Experten vor einer exponentiellen Kurve, aber das Leben ging normal weiter, bis es plötzlich zum Stillstand kam.
Legg stimmt diesem Vergleich zu [41:01]. Menschen tun sich schwer, exponentielle Veränderungen zu begreifen. Wir leben in einer Zeit, in der sich die Fähigkeiten der KI rasant beschleunigen. Was vor einem Jahr noch unmöglich schien, ist heute Standard. Die Öffentlichkeit – und selbst viele Fachexperten in Nischenbereichen – unterschätzen oft, wie schnell die Entwicklung voranschreitet, weil sie sich auf veraltete Grenzen der KI konzentrieren.
Fazit: Eine Zeit der Chancen und Risiken
Das Video vermittelt keine dystopische Untergangsstimmung, aber einen dringenden Weckruf. Shane Legg sieht ein „Goldenes Zeitalter“ [44:05] voraus, in dem Krankheiten geheilt, saubere Energie entdeckt und der materielle Wohlstand explodiert – vorausgesetzt, wir meistern den Übergang.
Die Kernaussagen für Sie zusammengefasst:
- AGI kommt bald: Eine 50%-Chance bis 2028 ist eine ernstzunehmende Prognose eines Top-Experten.
- Kognitive Arbeit wird sich wandeln: Alles, was am Computer erledigt wird, ist automatisierbar.
- Sicherheit durch „Nachdenken“: Künftige KIs sollen lernen, ethisch abzuwägen, bevor sie handeln.
- Gesellschaftlicher Diskurs nötig: Wir müssen jetzt klären, wie wir den durch KI erwirtschafteten Reichtum verteilen, wenn menschliche Arbeit an Marktwert verliert.
Wir stehen, wie Hannah Fry es formuliert, „direkt in der Kurve“ der Exponentialfunktion. Es ist Zeit, nicht mehr nur über Chatbots zu staunen, sondern sich auf eine fundamental andere Welt vorzubereiten.
KI-gestützt. Menschlich veredelt.
Martin Käßler ist ein erfahrener Tech-Experte im Bereich AI, Technologie, Energie & Space mit über 15 Jahren Branchenerfahrung. Seine Artikel verbinden fundiertes Fachwissen mit modernster KI-gestützter Recherche- und Produktion. Jeder Beitrag wird von ihm persönlich kuratiert, faktengeprüft und redaktionell verfeinert, um höchste inhaltliche Qualität und maximalen Mehrwert zu garantieren.
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