
Der Globale Silbermarkt: Eine Fundamentalanalyse von historischer Performance, Anlagestrategien und Zukunftsprognosen
Einleitung: Die duale Natur des Silbers – Industriemetall und Sachwert im Wandel
Silber befindet sich in einer fundamentalen Transformation. Während seine historische Rolle als monetäres Metall und Inflationsschutz weiterhin relevant ist, wird seine Zukunft zunehmend von einer unelastischen und exponentiell wachsenden industriellen Nachfrage bestimmt, die durch die globale grüne und digitale Revolution angetrieben wird. Diese einzigartige Position unterscheidet Silber von anderen Edelmetallen. Es verhält sich zeitweise wie Gold, als sicherer Hafen in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, und zeitweise wie Kupfer, als sensibler Indikator für die globale Konjunktur.1 Diese duale Natur erklärt nicht nur seine historische Volatilität, sondern unterstreicht auch seine wachsende strategische Bedeutung im 21. Jahrhundert. Dieser Bericht liefert eine umfassende Analyse des globalen Silbermarktes und gliedert sich in drei Hauptkapitel. Zunächst wird eine detaillierte Untersuchung der historischen Preiszyklen seit 1990 vorgenommen, um die treibenden makroökonomischen Kräfte zu identifizieren. Anschließend wird die Anlageklasse der Silbermünzen differenziert betrachtet, wobei zwischen Anlage- und Sammlerstücken unterschieden wird. Den Abschluss bildet eine detaillierte Prognose, die auf der kritischen Gegenüberstellung von strukturellen Angebotsengpässen und einer explosionsartig wachsenden Nachfrage, insbesondere aus dem Photovoltaik-Sektor, basiert.
Historische Preisentwicklung des Silbers (1990–Heute): Zyklen von Stagnation und Rallye
Die Preisentwicklung von Silber in den letzten drei Jahrzehnten war von ausgeprägten Zyklen geprägt, die von langen Phasen der Stagnation bis hin zu explosiven Rallyes reichten. Das Verständnis dieser historischen Bewegungen ist entscheidend, um die aktuellen Marktbedingungen und zukünftigen Potenziale einordnen zu können.
Die “verlorene Dekade”: Stagnation in den 1990er Jahren
Die 1990er Jahre können für Silberinvestoren als eine “verlorene Dekade” bezeichnet werden. Die Preise bewegten sich fast durchgehend auf einem Niveau von unter 6 USD pro Feinunze und erreichten oft Tiefststände nahe 4 USD.2 Inflationsbereinigt mussten Anleger in diesem Zeitraum sogar negative Realrenditen hinnehmen, was bedeutet, dass der Wert ihrer Silberanlagen an Kaufkraft verlor.3 Dieser Preisdruck war das Ergebnis mehrerer makroökonomischer Faktoren. Erstens führten positive Realzinsen in den großen Volkswirtschaften dazu, dass nicht-verzinste Anlagen wie Silber im Vergleich zu Anleihen unattraktiv waren.3 Zweitens war die industrielle Nachfrage vor dem kometenhaften Aufstieg Chinas als globale Wirtschaftsmacht relativ schwach. Drittens wurde die Angebotsseite durch einen massiven Anstieg der Minenproduktion zwischen 1994 und 2001 um über 150 Millionen Unzen zusätzlich unter Druck gesetzt.1 Die langanhaltende Baisse der 1990er Jahre hat jedoch unbeabsichtigt die Grundlage für heutige Angebotsengpässe gelegt. Die extrem niedrigen Preise führten zu erheblichen Desinvestitionen in die Exploration und Erschließung neuer Minen, da die Rentabilität solcher Projekte nicht gegeben war. Diese mangelnden Investitionen in den 1990er und frühen 2000er Jahren führten zu einer ausgedünnten Pipeline neuer primärer Silberminenprojekte. Da die durchschnittliche Vorlaufzeit von der Entdeckung bis zur Produktion einer neuen Mine zwischen fünf und acht Jahren beträgt 5, ist die heutige Unfähigkeit des Angebots, schnell auf die gestiegene Nachfrage zu reagieren, eine direkte Spätfolge der damaligen Marktbedingungen. Das aktuelle strukturelle Defizit ist somit historisch bedingt.
Der Rohstoff-Superzyklus und der Höhepunkt von 2011
Nach der Jahrtausendwende änderte sich das Bild dramatisch. Angetrieben durch den Beginn eines neuen Rohstoff-Superzyklus, stieg der Silberpreis von unter 5 USD pro Feinunze auf einen historischen Höchststand von fast 49 USD im April 2011.2 Dieser Anstieg markiert die beste inflationsbereinigte Performance in der modernen Geschichte des Silbers und demonstrierte eindrucksvoll das Potenzial des Metalls.3 Dieser Preisanstieg wurde durch einen “perfekten Sturm” von günstigen Bedingungen ausgelöst:
- Investmentnachfrage: Nach der globalen Finanzkrise von 2008 suchten Anleger verzweifelt nach sicheren Häfen und einem Schutz vor Inflation, was zu massiven Kapitalzuflüssen in Edelmetalle führte.3
- Industrienachfrage: Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas und anderer Schwellenländer führte zu einer Explosion der Nachfrage nach Industriemetallen, einschließlich Silber.1
- Geldpolitik: Die expansive Geldpolitik der Zentralbanken (Quantitative Easing) schwächte die Fiat-Währungen und trieb Anleger zusätzlich in Sachwerte.
Der Preisanstieg bis 2011 war mehr als nur eine Spekulationsblase. Er war das erste deutliche Anzeichen für die aufkommende strukturelle Lücke zwischen Angebot und Nachfrage, die durch die Investmentnachfrage extrem verstärkt wurde. Anders als bei rein spekulativen Ereignissen, wie der Spekulation der Hunt-Brüder im Jahr 1980, gab es 2011 eine starke fundamentale Untermauerung durch die reale Wirtschaft. Der Markt signalisierte, dass das Angebot selbst bei sehr hohen Preisen nur schwer mit einer gleichzeitig steigenden Industrie- und Investmentnachfrage Schritt halten kann. Der anschließende Preisverfall nach 2011 war daher primär auf den Rückzug der spekulativen Investmentnachfrage zurückzuführen und nicht auf eine Lösung des fundamentalen Problems.
Konsolidierung und die neue Ära (2012–Heute)
Auf den Höhepunkt von 2011 folgte eine mehrjährige Phase der Konsolidierung und des Preisverfalls, die um 2015 bei unter 14 USD pro Unze ihren Tiefpunkt fand.2 Diese Phase war geprägt von einer Normalisierung der Geldpolitik, einem starken US-Dollar und einer nachlassenden Investmentnachfrage.4 Die COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 führte kurzfristig zu einem dramatischen Preissturz, gefolgt von einer schnellen Erholung, da die Nachfrage nach sicheren Häfen und physischen Anlagen wieder stark zunahm. Seitdem hat sich ein neuer Aufwärtstrend etabliert, der den Silberpreis wieder in den Bereich von 20 bis 30 USD pro Unze und darüber hinaus geführt hat.
Die folgende Tabelle zeigt die durchschnittlichen jährlichen Silberpreise seit 1990, umgerechnet in verschiedene gängige Einheiten, um einen umfassenden Überblick zu ermöglichen.
Tabelle 1: Jährliche Silberpreisentwicklung (1990-2023) in verschiedenen Einheiten
(Die Umrechnung in EUR basiert auf historischen Jahresdurchschnitts-Wechselkursen. 1 Feinunze ≈ 31,1035 Gramm)
| Jahr | USD / Feinunze | EUR / Feinunze | USD / Gramm | EUR / Gramm | USD / Kilogramm | EUR / Kilogramm |
| 1990 | $4.83 | €3.81 | $0.16 | €0.12 | $155.28 | €122.50 |
| 1991 | $4.06 | €3.28 | $0.13 | €0.11 | $130.53 | €105.45 |
| 1992 | $3.95 | €3.02 | $0.13 | €0.10 | $126.99 | €97.09 |
| 1993 | $4.31 | €3.67 | $0.14 | €0.12 | $138.57 | €117.98 |
| 1994 | $5.29 | €4.48 | $0.17 | €0.14 | $170.08 | €143.99 |
| 1995 | $5.20 | €4.02 | $0.17 | €0.13 | $167.19 | €129.25 |
| 1996 | $5.20 | €4.13 | $0.17 | €0.13 | $167.19 | €132.79 |
| 1997 | $4.90 | €4.34 | $0.16 | €0.14 | $157.54 | €139.54 |
| 1998 | $5.54 | €4.98 | $0.18 | €0.16 | $178.12 | €160.11 |
| 1999 | $5.22 | €4.90 | $0.17 | €0.16 | $167.83 | €157.54 |
| 2000 | $4.95 | €5.37 | $0.16 | €0.17 | $159.15 | €172.64 |
| 2001 | $4.37 | €4.88 | $0.14 | €0.16 | $140.50 | €156.89 |
| 2002 | $4.60 | €4.88 | $0.15 | €0.16 | $147.89 | €156.89 |
| 2003 | $4.88 | €4.32 | $0.16 | €0.14 | $156.89 | €138.89 |
| 2004 | $6.66 | €5.36 | $0.21 | €0.17 | $214.12 | €172.33 |
| 2005 | $7.31 | €5.88 | $0.23 | €0.19 | $235.02 | €189.05 |
| 2006 | $11.55 | €9.20 | $0.37 | €0.30 | $371.33 | €295.79 |
| 2007 | $13.38 | €9.76 | $0.43 | €0.31 | $430.17 | €313.79 |
| 2008 | $14.99 | €10.21 | $0.48 | €0.33 | $481.94 | €328.26 |
| 2009 | $14.67 | €10.53 | $0.47 | €0.34 | $471.65 | €338.54 |
| 2010 | $20.19 | €15.22 | $0.65 | €0.49 | $649.12 | €489.35 |
| 2011 | $35.12 | €25.21 | $1.13 | €0.81 | $1,129.12 | €810.59 |
| 2012 | $31.15 | €24.22 | $1.00 | €0.78 | $1,001.50 | €778.71 |
| 2013 | $23.79 | €17.95 | $0.76 | €0.58 | $764.86 | €577.10 |
| 2014 | $19.07 | €14.36 | $0.61 | €0.46 | $613.12 | €461.72 |
| 2015 | $15.66 | €14.16 | $0.50 | €0.45 | $503.48 | €455.26 |
| 2016 | $17.17 | €15.54 | $0.55 | €0.50 | $552.02 | €499.64 |
| 2017 | $17.07 | €15.11 | $0.55 | €0.49 | $548.81 | €485.80 |
| 2018 | $15.71 | €13.31 | $0.50 | €0.43 | $505.08 | €427.93 |
| 2019 | $16.22 | €14.50 | $0.52 | €0.47 | $521.48 | €466.20 |
| 2020 | $20.69 | €18.09 | $0.66 | €0.58 | $665.20 | €581.62 |
| 2021 | $25.14 | €21.25 | $0.81 | €0.68 | $808.26 | €683.20 |
| 2022 | $21.76 | €20.72 | $0.70 | €0.67 | $700.00 | €666.19 |
| 2023 | $23.34 | €21.63 | $0.75 | €0.69 | $750.40 | €695.39 |
Quelle der Preisdaten: 2
Silbermünzen als Anlageklasse: Eine Tiefenanalyse für Investoren
Silbermünzen stellen eine greifbare und historisch bewährte Form der Anlage dar. Für Investoren ist es jedoch unerlässlich, die grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden Hauptkategorien von Münzen zu verstehen: Anlagemünzen (Bullion) und Sammlermünzen (Numismatik).
Bullion vs. Numismatik: Die zwei Welten der Münzanlage
Anlagemünzen (Bullion): Der Wert von Bullionmünzen leitet sich fast ausschließlich von ihrem reinen Metallgehalt ab, dem sogenannten Spotpreis, zuzüglich eines geringen Aufgelds (Prämie) für Prägung, Vertrieb und Händlermarge.6 Bekannte Beispiele sind der American Silver Eagle, der kanadische Maple Leaf oder der Wiener Philharmoniker.8 Das Hauptziel beim Kauf von Bullionmünzen ist der Werterhalt, der Schutz vor Inflation und die Sicherstellung einer hohen Liquidität, da diese Münzen weltweit anerkannt und leicht handelbar sind.10
Sammlermünzen (Numismatik): Im Gegensatz dazu wird der Wert numismatischer Münzen durch Faktoren bestimmt, die weit über den reinen Metallwert hinausgehen. Dazu gehören Seltenheit, historischer Kontext, Erhaltungszustand (Grading), Provenienz (Besitzgeschichte) und ästhetische Qualität.7 Der Wert einer seltenen Sammlermünze kann das Tausend- oder sogar Millionenfache ihres Materialwerts betragen. Das Anlageziel ist hier die langfristige Wertsteigerung, ähnlich wie bei Kunstwerken oder Antiquitäten.9
Diese beiden Kategorien bieten unterschiedliche und sich potenziell ergänzende Risikoprofile. Der Wert von Bullionmünzen ist direkt an den volatilen Rohstoffmarkt gekoppelt und schwankt mit dem täglichen Spotpreis. Hochwertige numismatische Münzen weisen hingegen oft eine geringe Korrelation zu diesen täglichen Schwankungen auf. Ihre Werttreiber sind fundamental verschieden: Makroökonomie und Industrienachfrage für Bullion stehen der Sammlernachfrage und Auktionsergebnissen für Numismatik gegenüber. Ein Portfolio, das beide Münztypen enthält, diversifiziert daher nicht nur in Silber als Anlageklasse, sondern auch innerhalb dieser Anlageklasse. In einem Bärenmarkt für Silber, in dem die Spotpreise fallen, kann der Wert einer seltenen numismatischen Münze stabil bleiben oder sogar steigen und so als wertvoller Puffer im Portfolio dienen.
Die wertvollste Silbermünze der Welt: Der 1794 “Flowing Hair” Silver Dollar
Die unangefochtene Spitze des Numismatikmarktes wird vom 1794 “Flowing Hair” Silver Dollar eingenommen. Ein Exemplar dieser Münze wurde für über 10 Millionen USD versteigert, wobei einige Quellen sogar einen Verkaufspreis von 12 Millionen USD nennen, was sie zur teuersten Silbermünze macht, die jemals verkauft wurde.11 Ihre immense Bedeutung ergibt sich aus ihrer Rolle als erster offiziell von der Regierung der Vereinigten Staaten ausgegebener Silberdollar.14 Geprägt nach dem Coinage Act von 1792 unter der Präsidentschaft von George Washington, symbolisiert diese Münze die wirtschaftliche Souveränität und das Streben der jungen Nation nach einer eigenen, stabilen Währung.15 Ihr Wert wird durch eine Kombination von Faktoren bestimmt:
- Extreme Seltenheit: Von den ursprünglich nur 1.758 geprägten Münzen haben schätzungsweise nur 120 bis 150 Exemplare bis heute überlebt.14
- Historische Einzigartigkeit: Sie ist der “Prototyp” des US-Dollars und ein direktes, greifbares Artefakt aus der Gründungszeit der Vereinigten Staaten.15
- Zustand und Provenienz: Das Rekordexemplar befindet sich in einem außergewöhnlich guten Zustand (klassifiziert als Specimen-66) und hat eine lückenlose Besitzgeschichte.13
Andere bemerkenswerte und extrem wertvolle Münzen, wie der 1804 Draped Bust Silver Dollar, der als “König der amerikanischen Münzen” bekannt ist, oder seltene Ausgaben des Morgan Dollars (z.B. der 1893-S), illustrieren die Tiefe und das Potenzial des numismatischen Marktes.11
Anlagestrategien mit Silbermünzen
Für Anleger empfiehlt sich eine hybride Strategie. Ein solides Fundament aus liquiden, international anerkannten Bullionmünzen dient der Absicherung und dem direkten Engagement im Silberpreis. Dieses Fundament kann durch eine gezielte Beimischung von sorgfältig ausgewählten, von unabhängigen Experten bewerteten (gegradeten) numismatischen Münzen ergänzt werden, um ein langfristiges Wertsteigerungspotenzial zu erschließen. Bei numismatischen Investitionen sind die professionelle Zustandsbewertung, eine sichere Lagerung und der Kauf ausschließlich bei seriösen, etablierten Händlern von größter Bedeutung, um das Risiko von Fälschungen und überhöhten Preisen zu minimieren.7
Prognose der Silberpreisentwicklung: Angebot und Nachfrage im Fokus
Die zukünftige Preisentwicklung von Silber wird maßgeblich durch das Spannungsfeld zwischen einem strukturell begrenzten Angebot und einer rasant wachsenden, technologiegetriebenen Nachfrage bestimmt.
Die Angebotsseite: Zwischen Minenproduktion und “urbanem Bergbau”
Die globale Silberversorgung stützt sich auf zwei Hauptpfeiler: die Minenproduktion und das Recycling.
Die jährliche Minenproduktion bewegt sich in einer Spanne von etwa 820 bis 840 Millionen Unzen.19 Der Markt wird von wenigen Ländern dominiert, allen voran Mexiko, China und Peru, die zusammen einen Großteil der weltweiten Förderung ausmachen.21 Die entscheidende strukturelle Schwäche des Angebots liegt jedoch darin, dass über 70 % des Silbers als Beiprodukt beim Abbau anderer Metalle wie Kupfer, Blei, Zink und Gold gewonnen werden.1
Das Recycling, auch als “urbaner Bergbau” bezeichnet, ist die zweitgrößte Angebotsquelle und erreichte zuletzt mit rund 194 Millionen Unzen ein 12-Jahres-Hoch.19 Der globale Markt für Silberrecycling wird auf mehrere Milliarden US-Dollar geschätzt und wächst stetig, angetrieben durch die zunehmende Menge an Elektroschrott und ein wachsendes Umweltbewusstsein.24
Diese Angebotsstruktur hat weitreichende Konsequenzen: Die Angebotsseite für Silber ist strukturell unelastisch. Das bedeutet, dass selbst ein stark steigender Silberpreis nicht automatisch zu einer signifikant höheren Produktion führt. Da der Großteil des Silbers ein Beiprodukt ist, hängen die Investitionsentscheidungen für den Betrieb oder die Erweiterung einer Mine primär von den Preisen der Hauptmetalle (z.B. Kupfer oder Zink) ab, nicht vom Silberpreis. Während die Nachfrage, insbesondere aus dem Photovoltaik-Sektor, direkt und exponentiell auf technologische Entwicklungen reagiert, kann das Angebot nur langsam und indirekt folgen. Das Recycling wird dadurch zur einzigen wirklich flexiblen Angebotskomponente und fungiert quasi als “Swing Producer” des Silbermarktes. Diese strukturelle Diskrepanz zwischen einer flexiblen, schnell wachsenden Nachfrage und einem starren Angebot ist der Hauptgrund für das prognostizierte, langanhaltende Marktdefizit.
Die Nachfrageseite: Die grüne und digitale Revolution als Katalysator
Die Nachfrageseite durchläuft derzeit eine tektonische Verschiebung. Für 2024 wird eine globale Gesamtnachfrage von rund 1,2 Milliarden Unzen prognostiziert, was den zweithöchsten je verzeichneten Wert darstellt.27 Der entscheidende Treiber ist die industrielle Nachfrage, die ein Rekordhoch nach dem anderen erreicht.19
Photovoltaik (PV) – Der unersättliche Verbraucher: Der Solarsektor hat sich zum größten und am schnellsten wachsenden Nachfragesegment entwickelt. Der Silberverbrauch in der PV-Industrie explodierte von 118,1 Millionen Unzen im Jahr 2022 auf 193,5 Millionen Unzen im Jahr 2023 – ein Anstieg von 64 % in nur einem Jahr.28 Dieser Sektor macht bereits fast 20 % der gesamten globalen Silbernachfrage aus.5 Prognosen gehen davon aus, dass die PV-Nachfrage bis 2030 auf 10.000 bis 14.000 Tonnen (ca. 320 bis 450 Millionen Unzen) ansteigen und damit bis zu 40 % des gesamten Silberangebots beanspruchen könnte.29 Verstärkt wird dieser Trend durch den technologischen Wandel von älteren PERC-Zellen zu neuen, effizienteren Technologien wie TOPCon und Heterojunction (HJT), die den Silberbedarf pro Watt fast verdoppeln.5
Automobil- und Elektroniksektor: Die Elektrifizierung des Verkehrs und die fortschreitende Digitalisierung sind weitere starke Nachfragetreiber. Der Silberverbrauch pro Fahrzeug steigt mit dem Grad der Elektrifizierung signifikant an: von 15-28 Gramm in einem Verbrenner über 18-34 Gramm in einem Hybridfahrzeug bis hin zu 25-50 Gramm in einem reinen Elektrofahrzeug (BEV).31 Die Gesamtnachfrage des Automobilsektors allein soll bis 2025 auf fast 90 Millionen Unzen anwachsen.33 Gleichzeitig treiben die 5G-Infrastruktur, das Internet der Dinge (IoT) und insbesondere KI-Server, die zwei- bis dreimal mehr Silber als traditionelle Server benötigen, die Nachfrage im Elektroniksektor an.35
Traditionelle Säulen wie Schmuck, Silberwaren und physische Investments bleiben zwar relevant, entwickeln sich aber im Vergleich zu den industriellen Treibern deutlich weniger dynamisch.20
Marktbilanz und Preisprognose (2025–2030): Das Zeitalter des strukturellen Defizits
Die Gegenüberstellung der Angebots- und Nachfrageseite offenbart ein klares Bild: Einem relativ starren Angebot von rund 1,02 Milliarden Unzen steht eine wachsende Nachfrage von etwa 1,2 Milliarden Unzen gegenüber.27 Dies führt zu einem signifikanten und wiederkehrenden jährlichen Marktdefizit, das für 2024 auf 176 bis 215 Millionen Unzen geschätzt wird.27 Es ist das vierte Jahr in Folge mit einem erheblichen Angebotsdefizit.38
Dieser fundamentale Wandel spiegelt sich in den Prognosen führender Finanzinstitutionen wider 39:
- HSBC: 35,14 USD für 2025
- Citigroup: 40 USD für 2025
- WisdomTree: 40 USD für Q3 2025
- CME Futures Markt: Impliziert einen stetigen Anstieg auf über 47 USD bis 2030
Der Silbermarkt hat einen fundamentalen Paradigmenwechsel vollzogen. Die industrielle Nachfrage ist nicht mehr primär zyklisch, sondern strukturell und wird durch langfristige, politisch verankerte Ziele wie die Energiewende und die Digitalisierung getrieben.37 Diese Nachfrage ist zudem weitgehend preisunelastisch. Selbst bei einem Silberpreis von 50 USD pro Unze wird die Produktion von Solarmodulen und Elektroautos nicht eingestellt, da Silber zwar technologisch unverzichtbar, aber nur für einen kleinen Teil der Gesamtkosten verantwortlich ist (ca. 6 % bei einem PV-Modul).29 Dies schafft einen permanenten, wachsenden “Nachfrageboden”, den es in dieser Form historisch nicht gab. Vor diesem Hintergrund erscheinen die aktuellen Preisprognosen bis 2030 eher konservativ. Sollte zusätzlich zur strukturellen Industrienachfrage eine neue Welle von Investmentnachfrage – beispielsweise aufgrund von Inflationssorgen oder geopolitischen Krisen – hinzukommen, könnte das bestehende Defizit dramatisch verschärft werden und zu Preisbewegungen führen, die weit über den aktuellen Prognosen liegen.
Die folgende Tabelle quantifiziert die prognostizierte Verschiebung in der globalen Nachfragestruktur.
Tabelle 2: Prognose der globalen Silber-Nachfrage nach Sektoren (in Mio. Unzen)
| Sektor | 2023 (Basis) | 2025 (Prognose) | 2030 (Prognose) |
| Industrie (Gesamt) | 654.4 | ~710 | ~850 |
| davon Photovoltaik | 193.5 | ~230 | ~350 |
| davon Automobil/Elektronik | ~360 | ~390 | ~420 |
| Schmuck & Silberwaren | 297.9 | ~310 | ~320 |
| Physisches Investment | 301.9 | ~280 | ~250 |
| Gesamtnachfrage | ~1,254 | ~1,300 | ~1,420 |
Quellen: Aggregierte und extrapolierte Daten aus 27
Schlussfolgerung: Silber als strategisches Asset des 21. Jahrhunderts
Die Analyse des globalen Silbermarktes führt zu drei zentralen Erkenntnissen. Erstens war die historische Volatilität des Metalls geprägt von einem komplexen Wechselspiel aus Geldpolitik und einer zyklischen Industrienachfrage. Zweitens bieten Silbermünzen durch die klare Differenzierung in Bullion und Numismatik anspruchsvolle Diversifikationsmöglichkeiten für Anleger. Drittens und am wichtigsten: Die Zukunft des Silbers wird durch ein strukturelles, technologiegetriebenes Angebotsdefizit definiert, das Silber zu einem strategischen und unverzichtbaren Metall der globalen Energie- und Digitalwende macht. Die Kombination aus Angebotsengpässen und einer unelastischen, stetig wachsenden Nachfrage schafft ein asymmetrisches Risikoprofil für Silber. Die industrielle Nachfrage bildet einen robusten und steigenden Preisboden, während die stets präsente Möglichkeit einer Rückkehr der Investmentnachfrage ein erhebliches Aufwärtspotenzial bietet. Silber ist somit nicht mehr nur “das Gold des kleinen Mannes”, sondern ein zentraler Baustein für die technologische und ökologische Zukunft der Weltwirtschaft.
Referenzen
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